(Ferran Suñer Muñoz & Jörg Roche)
Force-Dynamics
Ein besonders intensiv erforschter Bereich der Nutzung von Bildschemata als konzeptuelle Basis bestimmter Grammatikbereiche findet sich im sogenannten Vorstellungssystem der Kraft-Dynamik von Talmy (2000). In diesem Ansatz nimmt Talmy kinästhetische Erfahrungen (körperliche Erfahrungen in Bezug auf Kraft und Bewegung) sowie somatosensorische Erfahrungen (körperliche Erfahrungen in Bezug auf Druck und Schmerz) als Grundlage zur Beschreibung von Sprache und vor allem der Kausalität. So kann der Satz Das Flugzeug stürzte ins Meer sowohl in Bezug auf die verursachende Kraft ergänzt werden (Das Flugzeug stürzte ins Meer wegen eines Anfängerfehlers des Piloten) als auch in Bezug auf die dynamische Opposition (Das Flugzeug stürzte ins Meer trotz des starken Auftriebs). Diese Interaktionen zwischen Kraft und Dynamik überträgt Talmy unter anderem auch auf psychologische und soziale Domänen. So unterscheidet sich der eher neutrale Satz Die DDR öffnete die Mauer beträchtlich vom Satz Die DDR wurde dazu gezwungen, die Mauer zu öffnen, und zwar in der sozialen Kraft, die auf sie ausgeübt wird („Wir sind das Volk“). Kraft-Dynamik-Verhältnisse können unter anderem zur systematischen Erklärung der konzeptuellen Struktur von Konnektoren und Präpositionen (konzessive, kausale etc.) und Modalverben herangezogen werden.
Literatur
- Evans, Vyvyan & Melanie Green (2006), Cognitive Linguistics. An Introduction. Mahwah, N.J.: L. Erlbaum.
- Talmy, Leonard (2000), Toward a Cognitive Semantics. Vol. 1: Concept Structuring Systems. Cambridge: MIT Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)