(Gesine Lenore Schiewer)
Die Interkulturelle Hermeneutik geht der Frage nach, wie Verstehensprozesse theoretisch begründet und methodisch angeleitet werden können. Sie ist die Grundlage der Verstehensarbeit in der interkulturellen Literaturwissenschaft und Basis des entsprechenden methodischen Vorgehens in Unterrichtsprojekten sowie didaktischer Konzepte für den Fremdsprachenunterricht (siehe auch hermeneutischer Fremdsprachenunterricht).
Im Ausgang von Ansätzen von Wissenssoziologen wie Max Weber, Alfred Schütz und anderen wird die Einsicht zugrunde gelegt, dass mit einer sorgsamen Textarbeit, die Aufgabe der Interkulturellen Philologie ist, der Prozess des Verstehens einhergehen muss. Das Prinzip der interkulturellen Philologie, der Textarbeit, wird daher ergänzt um das der interkulturellen Hermeneutik und das bedeutet, um eine theoretisch fundierte und methodisch geleitete Verstehensarbeit. Hierfür finden sich bei Karl Mannheim mit einer wesentlichen Differenzierung des Verstehensbegriffs maßgebliche Anregungen. Im Zentrum des ersten analytischen Schrittes stehen dabei immer die formalen Eigenschaften literarischer Texte, die jedoch nicht rein ästhetisch betrachtet, sondern als Dokumente von Weltanschauungen ausgewertet werden (vergleiche Barboza 2009: 57f.). Dies entspricht vielen als interkulturell bezeichneten literarischen Texten insofern, als sie sich häufig durch formal-sprachliche Besonderheiten wie zum Beispiel spezifische Weisen der Mehrsprachigkeit auszeichnen.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Literatur
- Barboza, Amalia (2009), Karl Mannheim. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.
- Schiewer, Gesine Lenore (2011), Von der Literatursprache zu „Bücher(n), die ihren Lesern Tore öffnen“. Perspektiven der interkulturellen Literaturwissenschaft an der Schnittstelle von Translationswissenschaft und Wissenssoziologie. In: Ewert, Michael; Riedner, Renate & Schiedermair, Simone (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache und Literaturwissenschaft. Zugriffe, Themenfelder, Perspektiven. München: iudicium, 60–78.