(Gesine Lenore Schiewer & Jörg Roche)
‘fusion of horizons’
In der Tradition von Bubers Grundausrichtung der Dialogphilosophie steht im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts die dialogische Hermeneutik Hans-Georg Gadamers mit der besonderen Berücksichtigung von Prozessen des Verstehens und angemessenen Deutens. Später nimmt sich, vor allem in Bezug auf die interkulturelle Kommunikation, die interkulturelle Literaturwissenschaft und die interkulturelle Sprachdidaktik, auch die interkulturelle Hermeneutik dieser Problematik an, indem sie das ‚Fremdverstehen‘ als einen dialektischen – und damit dialogischen – Prozess zwischen Kulturen zu fassen versucht, statt ihn als historischen Prozess wie in der Hermeneutik zu betrachten. Es geht dabei, wie Charles Taylor es im Anschluss an Gadamer nennt, um eine Horizontverschmelzung (‚fusion of horizons‘) aus eigenen und fremden Horizontkomponenten. In diesem Prozess bilden sich modifizierte Positionen der Wahrnehmung des Eigenen durch das Fremde und der Wahrnehmung des Fremden durch das Eigene. Die daraus entstehenden Positionen sind gesellschaftlichen Normen, individuellen Dispositionen und der Interaktion aus beiden geschuldet. Begriffe wie ‚Perspektivenwechsel‘, ‚das Eigene und das Fremde‘, ‚interkulturell‘ oder auch ‚der dritte Raum‘ (Bhabha) sind diesem Ansatz verpflichtet.
Literatur
- Taylor, Charles (1992), Multiculturalism and the Politics of Recognition. An Essay. Princeton: Princeton University Press.
- Roche, Jörg (2001), Interkulturelle Sprachdidaktik. Eine Einführung. Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)