(Agnes Einhorn & Eva Major)
Der Begriff Rapport bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Lerner. Lehrer und Lehrerinnen versuchen ein harmonisches Verhältnis mit den Lernern aufzubauen, um eine positive Lernumgebung zu gestalten. Die besondere Beziehung zwischen der Lehrperson und den Lernern bestimmt in vielerlei Hinsicht die Qualität des Unterrichts. Merkmale der positiven Lernatmosphäre sind zum Beispiel: respektvoller Umgang, Sinn für Humor, Ehrlichkeit, gute Organisation, richtiges Zuhören (Scrivener 2011: 16ff).
Literatur
- Scrivener, Jim (2011), Learning teaching: The Essential Guide to English Language Teaching (3rd ed.). Basingstoke, UK: Macmillan Education.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Nicole Marx)
Rationalism
Der Rationalismus wird – im Kontrast zum Empirismus – als erkenntnistheoretischer Standpunkt verstanden, der das Ziel verfolgt, Wissen und Erkenntnis erfahrungsunabhängig mithilfe von Logik und Vernunft (ratio) zu generieren. Das, was „auf vernünftige Einsicht“ zurückgeführt werden kann, kann für „wahr“ genommen werden. Typische Disziplinen, die vor allem rationalistisch arbeiten und somit logische Schlüsse aus feststehenden Prämissen ziehen (Deduktion), sind geisteswissenschaftliche Fächer wie zum Beispiel die Philosophie oder die Mathematik.
In der Sprachlehr- und ‑lernforschung kommen rationalistische Vorgehensweisen zum Tragen, wenn beispielsweise untersucht wird, ob chinesische Deutschlerner Bitten höflicher formulieren als Personen, die Deutsch als Erstsprache sprechen. In diesem Fall könnte man rationalistisch auf Grundlage bereits vorhandener Erkenntnisse (wie zum Beispiel Untersuchungen zu Kulturunterschieden), einen (logischen) Schluss ziehen.
Literatur
- Engfer, Hans Jürgen (1996), Empirismus versus Rationalismus? Kritik eines philosophiegeschichtlichen Schemas. Paderborn: Schöningh.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
Dieser Begriff beschreibt die Reaktivierung von etablierten oder lexikalisierten Metaphern im Kontrast zu deren aktueller Bedeutung.
So kann etwa eine Metapher wie viel um die Ohren haben einem Lerner zum besseren Verständnis in physischer Realisierung recht plastisch „vor Augen geführt” werden. Dermaßen reaktivierte Metaphern sind nicht nur produktiv in Komik und Karikatur, sondern auch in der Werbesprache. In dem Werbeslogan Für Leute, die gerne viel um die Ohren haben (Blaupunkt) wird diese lexikalisierte Bedeutung entsprechend reaktiviert, ins Angenehme (Klangerlebnis) verkehrt und bleibt in ihrer gegensätzlichen Doppeldeutigkeit bestehen.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Silva Ladewig)
Gesture Speech Integration
Die Integration von Rede und Geste bezeichnet das enge Zusammenspiel von redebegleitenden Gesten (gestische Darstellungsweisen) und der Lautsprache ausgehend von den Beobachtungen, wonach Gesten überwiegend mit der Rede produziert werden, sie mit sprachlichen Einheiten synchronisiert sind, sich parallel zum Erstspracherwerb entwickeln, ihre Produktion in Fällen von Aphasie beeinträchtigt ist und Gesten parallel zur Sprache semantische, syntaktische und pragmatische Funktionen ausführen. Diese Annahmen sind durch neuere Studien etwa zum Sprach- und Gestikerwerb (moderne Gestikforschung), durch neurologische Fundierung beider Ausdrucksmodalitäten, aber vor allem durch die Interaktion von Sprache und Geste in der Informationsübermittlung gestützt.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 2 Kognitive Linguistik der Multilingua Akademie)
(Sandra Drumm)
Register bezeichnen sprachlich vergleichsweise fixierte Ebenen und Formen. Sie reflektieren die Anforderungen der jeweiligen Situation, in der Sprache verwendet wird. Der Begriff bezeichnet stärker normierte Varietäten mit einer geringeren dynamischen Veränderung. Ein Mensch verfügt über unterschiedliche sprachliche Register, die er je nach Situation und Kontext nutzen kann. So kann eine Person zum Beispiel unter Freunden den bairischen Dialekt verwenden, an seinem Arbeitsplatz oder in der Behörde jedoch Hochdeutsch sprechen und in der schriftlichen Kommunikation formellere oder informellere Register anwenden.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
(Ferran Suñer Muñoz & Patricia Boos)
Darunter versteht man die Modifizierung einer ursprünglich konzeptualisierten Nachricht. Bei der Sprachproduktion hat der Monitor direkten Zugang zum gesamten Produktionssystem. Sobald der Sprecher Probleme in der Bedeutung oder Korrektheit der inneren oder äußeren Sprache entdeckt, kann die weitere Produktion unterbrochen werden. Die präverbale Nachricht kann dann entweder neu bearbeitet oder es kann eine neue oder andere Nachricht hinzugefügt werden.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn in der Zweitsprache eines Lerners die präverbale Nachricht aufgrund eines Lexikalisierungsproblems auf der Ebene der Formulierung so angepasst und vereinfacht wird, dass der erfolgreiche Abruf der lexikalischen Informationen (zum Beispiel eines „einfacheren Wortes“ oder einer Paraphrase) garantiert werden kann.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Silva Ladewig)
Recurrent Gestures
Nach Ladewig (2014) zeichnen sich rekurrente Gesten durch eine stabile Form- und Bedeutungsbeziehung aus, die sprecherübergreifend in verschiedenen Gesprächskontexten verwendet wird. Allerdings haben sie noch keinen Wortstatus wie emblematische Gesten erlangt sondern tragen eine schematische Bedeutung wie etwa Prozess, Negation oder Abwägen. Rekurrente Gesten können unter anderem dazu verwendet werden, Teile einer Äußerung zu markieren und für den Adressaten beziehungsweise die Adressatin relevant zu setzen (diskursive Funktion), die Einstellung eines Sprechers zu markieren (modale Funktion) oder selbst eine kommunikative Handlung (performative Funktion) zu vollziehen. Rekurrente Gesten bilden Repertoire in Sprechgemeinschaften wie Bressem & Müller (2014) für das Deutsche zeigen konnten.
Literatur
- Bressem, Jana & Müller, Cornelia (2014), A repertoire of recurrent gestures of German. In: Müller, Cornelia; Cienki, Alan; Fricke, Ellen; Ladewig, Silva H.; McNeill, David & Tessendorf, Sedinha (Hrsg.), Body – Language – Communication. An International Handbook on Multimodality in Human Interaction (Vol.2. Handbooks of Linguistics and Communcation Science 38). Berlin, Boston: De Gruyter Mouton, 1575–1591.
- Ladewig, Silva H. (2014), Recurrent gestures. In: Müller, Cornelia; Cienki, Alan; Fricke, Ellen; Ladewig, Silva H.; McNeill, David & Tessendorf, Sedinha (Hrsg.), Body – Language – Communication. An International Handbook on Multimodality in Human Interaction (Vol. 2; Handbooks of Linguistics and Communication Science 38). Berlin, Boston: De Gruyter Mouton, 1558–1575.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 2 Kognitive Linguistik der Multilingua Akademie)
(Gesine Lenore Schiewer)
Dieser Begriff geht auf die Sprachtheorie Ferdinand de Saussures zurück und kennzeichnet, dass Teile des Wortschatzes einer Sprache nicht vollkommen arbiträr sind, sondern insofern zum Teil motiviert sind, als sie in der Zusammensetzung ihrer Morpheme nachvollziehbar sind, zum Beispiel „drei-zehn“. Für den Autor interkultureller Literatur Ilija Trojanow ist zum Beispiel die Arbeit im Bereich der Wortbildung wichtig und damit die Schaffung neuer Komposita, die im besten Fall nicht nur neue Metaphern sind, sondern darüber hinaus das Potential zur relativen Motivierung im Sinn von Ferdinand de Saussure haben und zugleich wohlklingend sind: „Ich richte mein Ohrenmerk auf mögliche Komposita, ergötze mich an Flammenschrift oder Schwebestil oder Kabelsalat oder Engelszungen. Die beiden letzteren kennen Sie gewiß, denn erfolgreiche Komposita setzen sich durch. Ein jedes hat die faire Chance, in den Kanon des Wörterbuches gewählt zu werden. Gewiß, manche Komposita sind schrullig und uns daher lieb wie die Eigenheiten einer Geliebten, […]. Wir kennen ein ‚derweil’ und ein ‚dieweil’, stolpern allerdings über ‚dasweil’.“ (Trojanow 2008: 81f)
Literatur
- Schiewer, Gesine Lenore (2015), Die Nomadisierung der Moderne (Ilja Trojanow) als sprachpoetisches Programm. Interkulturelle Literaturwissenschaft und Fremdsprachenunterricht am Beispiel von ‚Chamisso-Literatur’. In: IDT 2013, Bd. 1, Hauptvorträge, hg. von Hans Drumbl und Antonie Hornung. Bozen: bu,press, 149–171.
- Trojanow, Ilija (2008), Vorlesung. Voran ins Gondwanaland. In: Feridun Zaimoglu, Ilija Trojanow. Ferne Nähe. Tübinger Poetik-Dozentur 2007, hg. von Dorothee Kimmich & Philipp Ostrowicz. Künzelsau: Swiridoff Verlag, 67–94.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Dieses Prinzip des handlungsorientierten Spracherwerbs besagt, dass gelernt wird, was Relevanz hat. Handlungsorientierter Unterricht muss (bedeutungs-)reiche Lernumgebungen schaffen, die für den Lerner relevant und interessant sind.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Ruth Albert)
Reliability
Reliabilität ist ein zentrales Gütekriterium für (empirische) Untersuchungen. Es besagt, dass ein Untersuchungsverfahren verlässlich ist, wenn bei einer Wiederholung unter denselben oder sehr ähnlichen Umständen (Untersuchungssetting) dasselbe Ergebnis erzielt werden könnte.
Ein Beispiel: Wenn man untersucht, ob tunesische Deutschlerner eher ihre Französisch- oder eher ihre Englischkenntnisse nutzen, wenn sie nach deutschen Wörtern suchen, die ihnen auf Anhieb nicht einfallen, dann sollten sich die Ergebnisse der Deutschlerner im ersten Studienjahr der Universität A nicht wesentlich von denen der Deutschlerner im ersten Studienjahr der Universität B unterscheiden, wenn ihre Vorbildung und der von ihnen besuchte Unterricht ähnlich sind. Wenn sie sich stark unterscheiden, fehlt es dem Untersuchungsverfahren offensichtlich an angemessener Reliabilität.
Weitere wichtige Gütekriterien sind unter anderem die Objektivität und Validität.
Literatur
- Albert, Ruth & Marx, Nicole (2014), Empirisches Arbeiten in Linguistik und Sprachlehrforschung. Anleitung zu quantitativen Studien von der Planungsphase bis zum Forschungsbericht (2. überarbeitete Auflage). Tübingen: Narr.
- Grotjahn, Rüdiger (2008), Tests und Testaufgaben: Merkmale und Gütekriterien. In: Tesch, Bernd; Leupold, Eynar & Köller, Olaf (Hrsg.), Bildungsstandards Französisch: konkret. Sekundarstufe I: Grundlagen, Aufgabenbeispiele und Unterrichtsanregungen. Berlin: Cornelsen, 149–186.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
(Gesine Lenore Schiewer & Jörg Roche)
Die Rezeptionsästhetik gilt als die theoretische Grundlage für einen vom Rezipienten aus gedachten Zugang zur Literatur, im Gegensatz zu dem vom Autor geschaffenen. Hans Robert Jauß plädierte in seiner Antrittsvorlesung 1967 „Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft“ an der Universität Konstanz, in Übertragung des Begriffs des „Erwartungshorizonts“ (Karl Mannheim) für eine „Literaturgeschichte des Lesers“. Literarische Texte entfalten demnach erst in ihrer Lektüre ihre vollkommene Bedeutung. Als ein Werk gilt nicht der Text des Autors für sich, sondern die Gesamtheit seiner Interpretationen. Die Rezeptionsforschung interessiert sich daher auch besonders für die Rezeptionen, Übernahmen und Anleihen in interkulturellen Kontexten.
Literatur
- Iser, Wolfgang (1970), Die Appellstruktur der Texte. Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung literarischer Prosa. Konstanz: Universitätsverlag.
- Roche, Jörg & Schiewer, Gesine L. (2017), Identitäten – Dialoge im Deutschunterricht. Schreiben – Lesen – Lernen – Lehren. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag.
- Roche, Jörg/Schiewer, Gesine Lenore (Hrsg.) (2018), Unter konzeptueller Assistenz und mit Originalbeiträgen von José F.A. Oliver und Akos Doma: Emotionen – Dialoge im Deutschunterricht. Schreiben – Lesen – Lernen – Lehren. Tübingen: Gunter Narr Verlag.
- Weinrich, Harald (1971), Literatur für Leser. Essays und Aufsätze zur Literaturwissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer (Sprache und Literatur 68).
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)