Kanaks­prak

(Jörg Roche)

  • Der Eth­no­lekt Kanaks­prak (Kiez­deutsch) wur­de zunächst vor­wie­gend von männ­li­chen, in Deutsch­land auf­ge­wach­se­nen, tür­kisch­stäm­mi­gen Spre­chern erwor­ben und ver­wen­det. Heu­te ist die Kanaks­prak wei­ter ver­brei­tet und hat Ele­men­te einer all­ge­mei­nen Jugend­spra­che ange­nom­men. Auch auto­chtho­ne deutsch­spra­chi­ge Jugend­li­che über­neh­men so zum Bei­spiel Ele­men­te die­ses Eth­no­lekts, vor allem das geroll­te, nicht voka­li­sier­te /r/ und bestimm­te Chunks wie Isch­wör! (‚Ich schwö­re’), Wör­ter wie Alter, Ver­stär­ker wie krass und kor­rekt (kras­se Gegend, voll kor­rekt). Wei­te­re Merk­ma­le sind:
  • Redu­zie­rung der Anlaut­clus­ter: /ts/ wer­den zu /s/ redu­ziert, sil­ben­zäh­len­der Rhyth­mus, Ver­kür­zung der gespann­ten Voka­le, Erhö­hung der Sonoritätswerte
  • Mor­pho­lo­gie: Ver­än­de­rung der Gene­ra (gutes Gewinn, son gro­ßer Pla­kat), Ver­än­de­rung der Endun­gen (schlech­ten Gewis­sen gehabt, kei­ne rich­ti­ge Grup­pen), Feh­len der Arti­kel­wör­ter (da wird Mes­ser gezo­gen, sonst bist du toter Mann), Weg­las­sung der Prä­po­si­tio­nen (geh’mer Tank­stel­le, ich wohn ja Karl-Preis-Platz), Ände­rung der Verb­va­lenz (mit dem du gehei­ra­tet hast)
  • Syn­tax: Ver­än­de­rung der deut­schen Satz­stel­lung in SVO (jetzt ich bin 18), Weg­las­sung der sup­p­le­ti­ven Pro­no­men (als ich ken­nen­ge­lernt hab).

Wenn deutsch­spra­chi­ge Jugend­li­che sich die­ser Varie­tät anneh­men, dann oft, um damit eine Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit zu signa­li­sie­ren, die eigent­lich nicht gege­ben ist. Damit ver­än­dert sich suk­zes­si­ve das prag­ma­ti­sche Umfeld des Eth­no­lekts. Er wech­selt von einem Mit­tel der Abgren­zung vom Main­stream zu einem Iden­ti­fi­ka­ti­ons­mit­tel einer neu­en In-Group.

Den Namen Kanaks­prak hat die­ser Eth­no­lekt von dem gleich­na­mi­gen Buch von Fer­idun Zai­mo­g­lu (2011) erhal­ten, der aus einer pri­mä­ren Varie­tät abge­lei­tet ist, gegen­über ihrer ursprüng­li­chen kom­mu­ni­ka­ti­ven Ver­wen­dung aber cha­rak­te­ri­sie­ren­de, oft poe­to­lo­gi­sche Züge auf­weist. So bezeich­net Zai­mo­g­lu sei­ne Lite­ra­tur als „Nach­dich­tung“ (21), die den Mit­glie­dern des authen­ti­schen Milieus eine von ihnen auto­ri­sier­te Stim­me ver­leiht. Sie hebe sich ab von dem Mär­chen von der Multikulturalität.

Lite­ra­tur

  • Auer, Peter (2003), ‚Tür­kens­lang‘: Ein jugend­sprach­li­cher Eth­no­lekt des Deut­schen und sei­ne Trans­for­ma­tio­nen. In: Häcki-Buho­fer, Anne­lies (Hrsg.), Sprach­er­werb und Lebens­al­ter. Tübin­gen: Fran­cke, 255–264.
  • Zai­mo­g­lu, Fer­idun (2011), Kanak Sprak. Köln: Kie­pen­heu­er & Witch.

 

Kann-Beschrei­bun­gen

(Eni­kő Öveges)

can-do descriptors

Kann-Beschrei­bun­gen sind Deskrip­to­ren der Sprach­kom­pe­ten­zen in Form von Aus­sa­gen dar­über, wozu der Sprach­ver­wen­der oder die Sprachverwenderin/der Ler­ner in der Lage sein soll. Sind kön­nen in anschau­li­chen Ska­len für bestimm­te ver­ba­le Sprach­ak­ti­vi­tä­ten und ‑stra­te­gien dar­ge­stellt wer­den. Der Gemein­sa­me Euro­päi­sche Refe­renz­rah­men unter­teilt sie in 6 Kom­pe­tenzstu­fen. Kann-Beschrei­bun­gen kön­nen auch pro­duk­tiv im Unter­richt ver­wen­det werden.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 6 Unter­richts­ma­nage­ment der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kano­ni­zi­tät

Kano­ni­zi­tät bezeich­net in der Kogni­ti­ven Lin­gu­is­tik auf Grund von Welt­erfah­run­gen, Plau­si­bi­li­tät oder Häu­fig­keit eta­blier­te Eigen­schaf­ten oder Bezie­hun­gen ver­schie­de­ner Ele­men­te. In der Domä­ne Raum gilt das Ver­hält­nis zwi­schen der Prä­po­si­ti­on unter und dem Rela­tum Dach als kano­nisch, die Rela­ti­on zwi­schen unter und Auto dage­gen als nicht-kano­nisch, weil in in die­sem Fall eta­blier­ter scheint. In empi­ri­schen Stu­di­en ist es oft sinn­voll, einen Auf­ga­ben­teil für Ver­suchs­per­so­nen (VPn) eher im Kon­text einer nicht-kano­ni­schen Ver­wen­dung zu gestal­ten, damit die VPn nicht ein­fach­heits­hal­ber das ver­trau­tes­te und am schnells­ten abruf­ba­re Mus­ter aktivieren.

Literatur

Nach­ti­gäl­ler, Kers­tin; Roh­lfing, Katha­ri­na J. & McGre­gor, Kar­la K. (2013), A sto­ry about a word: does nar­ra­ti­ve pre­sen­ta­ti­on pro­mo­te lear­ning of a spa­ti­al pre­po­si­ti­on in Ger­man two-year-olds?. Jour­nal of Child Lan­guage 40, 900–917.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 3 Pro­pä­deu­ti­kum wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kiez­deutsch

(Jörg Roche)

Die­ser Eth­no­lekt wird auch Kanaks­prak genannt und weist fol­gen­de Merk­ma­le aus:

  • Aus­las­sung von Arti­kel und Prä­po­si­tio­nen bei Orts­an­ga­ben: Wir gehen Gör­lit­zer Park
  • Ande­re Endung beim Arti­kel: Die mit den Knutsch­fleck immer hier, Ich frag mein Schwester
  • Feh­len­des Pro­no­men: Du kennst!
  • Feh­len­der Arti­kel: Und die hat immer hier Knutschfleck, 
  • Feh­len­de Verb­form: Mün­chen weit weg, Alter.
  • Neue Auf­for­de­rungs­wör­ter: lass­ma (Lass­ma Moritz­platz aussteigen!) 
  • Neue Par­ti­keln: gibs oder gibt’s
  • Neue Funk­ti­ons­verb­ge­fü­ge: Rote Ampel machen (Machst du rote Ampel!)
  • Sub­jekt-Verb-Objekt-Kon­struk­ti­on: Verb steht an ande­rer Stel­le (Danach ich ruf dich an)
  • Verb-Sub­jekt-Objekt-Kon­struk­tio­nen: Guckst du´n biss­chen traurisch
  • Lexi­ka­li­sche Reduk­ti­on: Ich guck dich.

(aus Wie­se 2012: 53ff und Wie­se 2006: 255ff)

Lite­ra­tur

  • Wie­se, Hei­ke (2006): Wie­se, Hei­ke (2006). „Ich mach dich Mes­ser“: Gram­ma­ti­sche Pro­duk­ti­vi­tät in Kiez-Spra­che („Kanak Sprak“). Lin­gu­is­ti­sche Berich­te 207, 245–273.
  • Wie­se, Hei­ke (2012): Kiez­deutsch: Ein neu­er Dia­lekt ent­steht. Mün­chen: Beck.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 4 Mehr­spra­chig­keit und Spra­che­n­er­werb der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Know­led­geable Tea­cher Hypo­the­sis (KTH)

(Agnes Ein­horn & Eva Major)

Die For­schung zur Qua­li­tät von Lehr­kräf­ten nennt zwei Argu­men­ta­ti­ons­mög­lich­kei­ten als Aus­gangs­punkt: die Bright Per­son Hypo­the­sis (BPH) und Know­led­geable Tea­cher Hypo­the­sis (KTH). Die Know­led­geable Tea­cher Hypo­the­sis (KTH) besagt, dass Lehr­kom­pe­ten­zen lern­bar sind, in einer pro­fes­sio­nel­len Umge­bung aner­kannt wer­den und im Lau­fe der Kom­mu­ni­ka­ti­on mit der Grup­pe von Fach­leu­ten ent­wi­ckelt wer­den kön­nen. Zu den erlern­ba­ren Inhal­ten gehö­ren: das fach­spe­zi­fi­sche Inhalts­wis­sen der Lehr­kräf­te, das fach­spe­zi­fi­sche, päd­ago­gi­sche Inhalts­wis­sen und das fachun­spe­zi­fi­sche psy­cho­lo­gisch-päd­ago­gi­sche Wis­sen. Die­se drei sind also die Berei­che, in denen zukünf­ti­ge Leh­rer und Leh­re­rin­nen geschult wer­den müs­sen. Der Anteil die­ser Ele­men­te inner­halb des Leh­rer­aus­bil­dungs­pro­gramms kann vari­ie­ren (Kun­ter et al. 2013).

Lite­ra­tur

Kun­ter, Marie­ke; Klus­mann, Uta; Bau­mert, Jür­gen; Rich­ter, Dirk; Voss, Tha­mar & Hach­feld, Axin­ja (2013), Pro­fes­sio­nal com­pe­tence of tea­chers: Effects on ins­truc­tion­al qua­li­ty and stu­dent deve­lo­p­ment. Jour­nal of Edu­ca­tio­nal Psy­cho­lo­gy 105: 3, 805–820.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 6 Unter­richts­ma­nage­ment der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kogni­ti­ve Grammatik

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

Cogni­ti­ve Grammar 

Es han­delt sich um einen Ansatz inner­halb der kogni­ti­ven Lin­gu­is­tik, der die kon­zep­tu­el­le Moti­viert­heit bezie­hungs­wei­se die Bedeu­tungs­haf­tig­keit der Gram­ma­tik unter Rück­griff auf all­ge­mein kogni­ti­ve Prin­zi­pi­en und unter Ver­wen­dung bild­haf­ter Sym­bo­le beschreibt. Zu sol­chen Prin­zi­pi­en zäh­len unter ande­rem die Sali­enz, die Per­spek­ti­vie­rung und die Spe­zi­fi­zi­tät. So wer­den zum Bei­spiel das Sub­jekt und das Objekt im Satz durch das Figur-Grund-Prin­zip erklärt, nach dem ein Ele­ment stets vom dem Hin­ter­grund ande­rer Ele­men­te her­vor­sticht. Außer­dem teilt die kogni­ti­ve Gram­ma­tik die wich­tigs­ten Annah­men der kogni­ti­ven Linguistik.

Lite­ra­tur

  • Lang­acker, Ronald W. (1991), Descrip­ti­ve Appli­ca­ti­on. Foun­da­ti­ons of Cogni­ti­ve Grammar. Stan­ford: Stan­ford Uni­ver­si­ty Press.
  • Lang­acker, Ronald W. (2008), Cogni­ti­ve Grammar. A Basic Intro­duc­tion. Oxford, New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kogni­ti­ve Linguistik

(Fer­ran Suñer Muñoz & Jörg Roche)

Cogni­ti­ve Linguistics

Die kogni­ti­ve Lin­gu­is­tik beschäf­tigt sich sys­te­ma­tisch damit, wie das Den­ken über men­ta­le Model­le und Bild­sche­ma­ta in der Spra­che abge­bil­det wird und wie die­se sprach­lich abge­bil­de­ten Model­le das wei­te­re Den­ken beein­flus­sen. Sie betont die sym­bo­li­sche Funk­ti­on von Spra­che, deren Tei­le bezie­hungs­wei­se Sym­bo­le als Paa­re, bestehend aus (pho­no­lo­gi­scher) Form und Bedeu­tung, beschrie­ben wer­den. Die kon­zep­tu­el­len Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zi­pi­en des sym­bo­li­schen Sys­tems der Spra­che – und vor allem der Gram­ma­tik – erklärt die kogni­ti­ve Lin­gu­is­tik haupt­säch­lich anhand von all­ge­mei­nen Pro­zes­sen und Phä­no­me­nen der mensch­li­chen Kogni­ti­on wie zum Bei­spiel Ana­lo­gie­bil­dung, Kate­go­ri­sie­rung, Kom­po­si­ti­on, Pro­to­ty­pen­ef­fek­te und Ähn­li­ches. Die Sprach­be­schrei­bung erlangt damit eine kogni­ti­ve Plau­si­bi­li­tät. Auch die Ver­än­der­bar­keit des sym­bo­li­schen Sys­tems durch die Spre­cher selbst wird in der kogni­ti­ven Lin­gu­is­tik im Gegen­satz zu den vor­he­ri­gen Ansät­zen stark betont. Ent­schei­dend ist das Sprach­wis­sen des Spre­chers. Damit wen­det sich die kogni­ti­ve Lin­gu­is­tik ent­schie­den von der gene­ra­ti­ven Gram­ma­tik von Chom­sky ab.
Die kogni­ti­ve Lin­gu­is­tik basiert auf den fol­gen­den Annah­men: Spra­che ist Kon­zep­tua­li­sie­rung (the­sis that mea­ning is con­cep­tua­li­sa­ti­on), Spra­che ist und ent­wi­ckelt sich gebrauchs­ba­siert und damit in unter­schied­li­chen kul­tu­rel­len Kon­tex­ten (usa­ge-based the­sis), Bedeu­tung ergibt sich aus der Gesamt­heit des Wis­sens aller kon­zep­tu­el­len Bestän­de (the­sis of ency­clo­pe­dic seman­ti­cs) und kör­per­li­cher Erfah­run­gen (the­sis of embo­di­ed cogni­ti­on) und Form und Bedeu­tung bil­den eine Ein­heit (sym­bo­lic the­sis) (ver­glei­che Evans 2012).

Lite­ra­tur

  • Evans, Vyvyan (2012), Cogni­ti­ve lin­gu­i­stics. Wiley Inter­di­sci­pli­na­ry Reviews: Cogni­ti­ve Sci­ence 3: 2, 129–141.
  • Evans, Vyvyan & Green, Mela­nie (2006), Cogni­ti­ve Lin­gu­i­stics. An Intro­duc­tion. Mah­wah, N.J: L. Erlbaum.
  • Lang­acker, Ronald W. (2008), Cogni­ti­ve Grammar. A Basic Intro­duc­tion. Oxford, New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press.

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

 

Kogni­ti­ve Semantik

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

Cogni­ti­ve Semantics

Die Kogni­ti­ve Seman­tik ist ein kogni­ti­ons­wis­sen­schaft­li­cher Ansatz, der zusam­men mit der Kon­struk­ti­ons­gram­ma­tik, con­cep­tu­al meta­phor theo­ry und kogni­ti­ven Gram­ma­tik das Ziel hat, die kogni­ti­ven Prin­zi­pi­en in der Spra­che und Sprach­be­schrei­bung mit hoher Plau­si­bi­li­tät und Trans­pa­renz abzu­bil­den und mit der all­ge­mei­nen mensch­li­chen Kogni­ti­on zu ver­ein­ba­ren. Im Zen­trum der kogni­ti­ven Seman­tik steht daher die Erschlie­ßung des all­ge­mei­nen kon­zep­tu­el­len Sys­tems anhand der Spra­che. Alle Berei­che der Spra­che wer­den als sym­bol­haft und bedeu­tungs­voll ange­se­hen. Auch gram­ma­ti­sche Struk­tu­ren besit­zen seman­ti­sche Funk­tio­nen. Nach Tal­my (2000) bestehen die­se dar­in, die kon­zep­tu­el­le Struk­tur der Spra­che zu reprä­sen­tie­ren, wäh­rend die seman­ti­sche Funk­ti­on des Lexi­kons und lexi­ka­li­scher Struk­tu­ren dar­in besteht, den kon­zep­tu­el­len Inhalt dar­zu­stel­len. Die Gram­ma­tik bil­det die kon­zep­tu­el­le Struk­tur, mit der der kon­zep­tu­el­le Inhalt – also das Lexi­kon – orga­ni­siert wird.

Nicht nur Wör­ter wie Kaf­fee­ma­schi­ne besit­zen eine Bedeu­tung, son­dern auch das Kasus­sys­tem und ein­zel­ne Mor­phe­me. Wäh­rend die Bedeu­tung des Wor­tes Kaf­fee­ma­schi­ne kon­kret zu bestim­men ist, ist die Bedeu­tung des Kasus­sys­tems jedoch viel­schich­ti­ger und weni­ger greif­bar. Der Kasus zeigt an, wel­che Bezie­hung das Sub­jekt eines Sat­zes zu den ande­ren Kon­sti­tu­en­ten hat (zum Bei­spiel Agens – Patiens).


Literatur

  • Tal­my, Leo­nard (1983), How lan­guage struc­tures space. In: Pick, Her­bert & Acre­do­lo, Lin­da P. (Eds.), Spa­ti­al ori­en­ta­ti­on: Theo­ry, rese­arch, and appli­ca­ti­on. New York: Ple­num Press, 225–282.
  • Tal­my, Leo­nard (2000), Toward a Cogni­ti­ve Seman­ti­cs. Vol. 1: Con­cept Struc­tu­ring Sys­tems. Cam­bridge: MIT Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kogni­ti­ve Sprachendidaktik

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

Die kogni­ti­ve Spra­chen­di­dak­tik lei­tet sich aus den Grund­la­gen der kogni­ti­ven Lin­gu­is­tik ab, der Glie­de­rung der Spra­che in Basis­do­mä­nen, Bild­sche­ma­ta und die Ebe­ne der Pro­fi­lie­rung. Aus dem kon­zep­tu­el­len Kon­trast von Ler­nerspra­che und Ziel­spra­che ergibt sich der Bereich der Trans­fer­dif­fe­renz, der die Auf­ga­be des Ler­ners – und die didak­ti­sche Auf­ga­be des Unter­richts – zum Errei­chen kon­zep­tu­el­ler Kom­pe­tenz umfasst. Aus den kon­zep­tu­el­len Dif­fe­ren­zen der Spra­chen las­sen sich adäqua­te Wege und Instru­men­te zur Ver­mitt­lung frem­der Spra­chen ablei­ten. Die­se Wege und Instru­men­te las­sen sich sys­te­ma­tisch erforschen.

Lite­ra­tur

  • Roche, Jörg & Suñer, Fer­ran (2017), Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on. Grund­la­gen einer kogni­ti­ven Spra­chen­di­dak­tik (Kom­pen­di­um DaF/DaZ). Tübin­gen: Narr.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kogni­ti­ve Strategien

Cogni­ti­ve Strategies

Kogni­ti­ve Stra­te­gien gehö­ren zu den kogni­ti­ven Fer­tig­kei­ten und die­nen der unmit­tel­ba­ren Infor­ma­ti­ons­auf­nah­me und Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung. Unter ande­rem zäh­len zu den kogni­ti­ven Stra­te­gien Memo­rie­rungs- und Wie­der­ho­lungs­stra­te­gien, Ela­bo­ra­ti­ons­stra­te­gien, Trans­for­ma­ti­ons­stra­te­gien und reduk­tiv-orga­ni­sie­ren­de Stra­te­gien. Kogni­ti­ve Stra­te­gien umfas­sen Lern­tech­ni­ken zur Auf­nah­me, Iden­ti­fi­ka­ti­on, Ein­ord­nung, Ein­prä­gung, Ela­bo­ra­ti­on und kri­ti­schen Prü­fung sowie Spei­che­rung von Informationen.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kohä­renz

(San­dra Drumm)

Cohe­rence

Um als Text zu gel­ten, muss eine Satz­fol­ge Kohä­renz auf­wei­sen, damit sie von Rezi­pie­ren­den als zusam­men­ge­hö­rig erfasst wer­den kann. „Kohä­renz ist das vom Rezi­pi­en­ten beim Text­ver­ste­hen zu rekon­stru­ie­ren­de Zusam­men­stim­men der Text­tei­le zu einem inte­gra­len Gan­zen, zu einem funk­tio­nal auf­zu­fas­sen­den The­ma“ (Sie­ber 2008: 277). Der Text­zu­sam­men­hang, der zum Bei­spiel durch zeit­lich zusam­men­hän­gen­de Ereig­nis­se, einen gemein­sa­men Ort oder einen in sich stim­mi­gen the­ma­ti­schen Rah­men gestif­tet wird, wird als Kohä­renz bezeich­net. Als kohä­rent gilt ein Text, wenn er inhalt­lich zusam­men­hängt oder als zusam­men­hän­gend betrach­tet wer­den kann. Im Gegen­satz zur Kohä­si­on wird die­ser Zusam­men­hang aber auf logi­scher bezie­hungs­wei­se the­ma­ti­scher und nicht (nur) auf sprach­lich-syn­tak­ti­scher Ebe­ne erreicht. Hei­ne­mann und Hei­ne­mann (2002) unter­schei­den zwi­schen einer text­ge­lei­te­ten Kom­po­nen­te der Kohä­renz und der Ver­knüp­fung von im Text prä­sen­tier­ten Inhal­ten mit dem Welt­wis­sen der Rezi­pie­ren­den, also einer wis­sens­ge­lei­te­ten Kohä­renz (vgl. ebd.: 94 f.). Was von Lese­rin­nen und Lesern als zusam­men­hän­gend ver­stan­den wird, basiert auf deren Vor­wis­sen, Lese­er­fah­rung und ihren dar­aus resul­tie­ren­den Erwartungen.

Lite­ra­tur

  • Hei­ne­mann, Mar­got & Hei­ne­mann, Wolf­gang (2002), Grund­la­gen der Text­lin­gu­is­tik. Inter­ak­ti­on – Text – Dis­kurs. Tübin­gen: Niemeyer.
  • Sie­ber, Peter (2008), Kri­te­ri­en der Text­be­wer­tung am Bei­spiel Par­lan­do. In: Janich, Nina (Hrsg.), Text­lin­gu­is­tik. 15 Ein­füh­run­gen. Tübin­gen: Narr, 271–289.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wis­sen­schafts­spra­chen der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kol­lek­ti­ves Gedächt­nis und Erinnerungsorte

(Mar­ti­na Heinle)

Die Begriffe Kol­lek­ti­ves Gedächt­nis und Erin­ne­rungs­or­te sind zunächst ein­mal nicht als getrennt von­ein­an­der zu betrach­ten, viel­mehr kön­nen Erin­ne­rungs­or­te als ein Bestand­teil des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses ver­stan­den wer­den. Bei­de Ansät­ze ent­stam­men der Erin­ne­rungs­for­schung und sind im Fach Deutsch als Fremd­spra­che im Bereich des kul­tu­rel­len Ler­nens ver­or­tet. Die Kon­zep­te wer­den hier vor allem in Bezug auf die Fra­ge dis­ku­tiert, auf wel­che Wei­se sich die Ver­mitt­lung von Lan­des­kun­de best­mög­lich in den Fremd­spra­chen­un­ter­richt inte­grie­ren lässt, ohne dabei eine ste­reo­type und mon­o­per­spek­ti­vi­sche Dar­stel­lung der Ziel­spra­chen­kul­tur zu ris­kie­ren oder auf die Ver­mitt­lung von rei­nem Fak­ten­wis­sen hin­aus­zu­lau­fen. Dabei haben erin­ne­rungs-per­spek­ti­vi­sche Ansät­ze ein enor­mes Poten­ti­al für den fremd­sprach­li­chen Lan­des-kun­de­un­ter­richt, sie ber­gen jedoch auch Risi­ken, die es in Über­le­gun­gen zur Didak­ti­sie­rung und bei der Erstel­lung von Unter­richts­ma­te­ria­len zu berück­sich­ti­gen gilt.

Kol­lek­ti­ves Gedächt­nis und Erin­ne­rungs­or­te: Her­kunft und Theo­rie der Konzepte

Das Kon­zept des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses (mémoi­re coll­ec­ti­ve) stammt vom Sozio­lo­gen Mau­rice Halb­wachs und geht davon aus, dass sozia­le Grup­pen über gemein­sa­me Erin­ne­run­gen ver­fü­gen, wel­che in einem kol­lek­ti­ven Gedächt­nis gebun­den sind und eine iden­ti­täts­stif­ten­de Funk­ti­on für die den Grup­pen ange­hö­ri­gen Indi­vi­du­en besit­zen. Die The­se des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses erschien im Werk Les cad­res sociaux de la mémoi­re (Halb­wachs 1925), wel­ches 1985 unter dem Titel Das Gedächt­nis und sei­ne sozia­len Bedin­gun­gen ins Deut­sche über­setzt wur­de, sowie in La mémoi­re coll­ec­ti­ve (Halb­wachs 1939). Jan Ass­mann (1988:9) hebt her­vor, dass Mau­rice Halb­wachs, eben­so wie Aby War­burg mit des­sen Kon­zept des sozia­len Gedächt­nis­ses, kol­lek­tiv geteil­tes Wis­sen nicht mehr wie ehe­mals in der Bio­lo­gie, son­dern nun in der Kul­tur situiert.

Wei­ter­ge­dacht wur­de das Kon­zept des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses von Jan und Alei­da Ass­mann, die zwi­schen einem kom­mu­ni­ka­ti­ven und einem kul­tu­rel­len Gedächt­nis dif­fe­renzieren. Maß­geb­lich unter­schei­den­de Merk­ma­le die­ser bei­den Bestand­tei­le des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses lie­gen vor allem in der Distanz zum All­tag, dem Zeit­ho­ri­zont sowie den jewei­li­gen Trä­gern (vgl. J. Ass­mann 1988:11 ff.): So zeich­net sich das kom­mu­ni­ka­ti­ve Gedächt­nis durch eine hohe All­tags­nä­he aus und ist in kom­mu­ni­ka­ti­ven Situa­tio­nen bzw. im sprach­li­chen Aus­tausch unter Mit­men­schen erkenn­bar, wie z. B. beim Erzäh­len eines Wit­zes oder eines Erleb­nis­ses. Es „ent­steht […] in einem Milieu räum­li­cher Nähe, regel­mä­ßi­ger Inter­ak­ti­on, gemein­sa­mer Lebens­for­men und geteil­ter Erfah­run­gen“ (A. Ass­mann 2014:23). Das kom­mu­ni­ka­ti­ve Gedächt­nis reicht nur zwi­schen 80 bis maxi­mal 100 Jah­re in die Ver­gan­gen­heit zurück, wes­halb Alei­da Ass­mann (2014:23) auch vom „Kurz­zeit­ge­dächt­nis einer Gesell­schaft“ spricht. Mit dem Wech­sel der Gene­ra­tio­nen ver­schiebt sich auch der Zeit­ho­ri­zont. Das kul­tu­rel­le Gedächt­nis dage­gen hat eine viel grö­ße­re zeit­li­che Reich­wei­te, die poten­ti­ell über Jahr­hun­der­te zurück­rei­chen kann und sich nicht mit dem Gene­ra­tio­nen­wech­sel ver­schiebt. Das bedeu­tet jedoch nicht, dass das kul­tu­rel­le Gedächt­nis unver­än­der­lich und starr ist, denn es ent­hält soge­nann­te Erin­ne­rungs­fi­gu­ren (vgl. J. Ass­mann 1988:12 f.), deren Stel­lung im Gedächt­nis dyna­misch und ver­än­der­bar ist (vgl. dazu auch das Kon­zept vom Spei­cher- und Funk­ti­ons­ge­dächt­nis bei A. Ass­mann 2014:54 ff.). Die Bestän­de des kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses zeich­nen sich durch ihre All­tags­fer­ne aus und bestehen los­ge­löst von den leben­den Indi­vi­du­en auf mate­ri­el­len Trä­gern bzw. Medi­en (zur Medi­en­ge­bun­den­heit kul­tu­rel­ler Erin­ne­rungs­be­stän­de s. Bad­stüb­ner-Kizik 2015a).

Der bei Ass­mann ver­wen­de­te Begriff der Erin­ne­rungs­fi­gu­ren ver­weist auf das Kon­zept der Erin­ne­rungs­or­te (lieux de mémoi­re) von Pierre Nora. In einem sie­ben­bän­di­gen Werk sam­mel­te Nora über 130 Auf­sät­ze zu natio­na­len Erin­ne­rungs­or­ten des fran­zö­si­schen Kol­lek­tiv­ge­dächt­nis­ses (vgl. Nora 1984–1992). Unter den Erin­ne­rungs­or­ten sind nicht aus­schließ­lich geo­gra­phi­sche Orte zu ver­ste­hen, son­dern „all jene Phä­no­me­ne, über die eine Nati­on, sei es bewusst oder unbe­wusst, ihre kol­lek­ti­ve Erin­ne­rung und Iden­ti­tät kon­stru­iert und kon­ti­nu­iert“ (Forn­off 2009:501). Als Erin­ne­rungs­or­te kön­nen also bei­spiels­wei­se auch Arte­fak­te, Denk­mä­ler, his­to­ri­sche Per­so­nen, Sym­bo­le, Tex­te, Ritua­le und Ereig­nis­se fun­gie­ren. In den Erin­ne­rungs­or­ten kon­den­sie­ren die Bestän­de des kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses (vgl. Bad­stüb­ner-Kizik 2020:652), man kann sie als „‚Orte‘ im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis [begrei­fen], an denen Erin­ne­rung fest­ge­macht wird“ (ebd.:653). Mit den Erin­ne­rungs­or­ten ist die Vor­stel­lung ver­bun­den, dass Phä­no­me­ne der Ver­gan­gen­heit über Medi­en in die Gegen­wart trans­por­tiert wer­den und auf die­se Wei­se über lan­ge Zeit­räu­me hin­weg für sozia­le Grup­pen und ihre betei­lig­ten Indi­vi­du­en iden­ti­täts­stif­tend wir­ken. Der Ansatz der Erin­ne­rungs­or­te ist eine spe­zi­fi­sche Art der Geschichts­be­trach­tung, die nicht wie die klas­si­schen Geschichts­wis­sen­schaf­ten nach Chro­no­lo­gie, Linea­ri­tät und Voll­stän­dig­keit in der Dar­stel­lung fak­ti­scher Tat­sa­chen sucht. Nora bezeich­ne­te sie daher auch als his­toire au second degré (Nora 2002), Geschich­te zwei­ten Gra­des. Die­se fokus­siert die Ent­ste­hung kol­lek­ti­ver Gedächt­nis­se und die iden­ti­täts­stif­ten­den Funk­tio­nen der dar­in ent­hal­te­nen Phä­no­me­ne (vgl. Koreik/Roche 2014:10), kann ver­deck­te Deu­tungs­mus­ter und Wer­te­ori­en­tie­run­gen offen­le­gen und somit zu einem fremd­kul­tu­rel­len Ver­ständ­nis bei­tra­gen (vgl. Forn­off 2009:505). In die­sem Sin­ne wären auch „fal­sche“ Erin­ne­run­gen, sofern sie in der sozia­len Grup­pe eine Funk­ti­on erfül­len, von Bedeu­tung (vgl. dazu Bad­stüb­ner-Kizik 2015b:98).

Als „das ent­schei­den­de Start­si­gnal“ für das Kon­zept iden­ti­fi­zie­ren Koreik und Roche (2014:9) für den deutsch­spra­chi­gen Raum das drei­bän­di­ge Werk Die deut­schen Erin­ne­rungs­or­te von François/Schulze (2001). Es han­delt sich hier also um einen rela­tiv jun­gen Ansatz, des­sen Poten­ti­al in der prak­ti­schen Anwen­dung noch nicht aus­ge­schöpft ist.

Anwen­dung erin­ne­rungs­per­spek­ti­vi­scher Ansät­ze im Fremdsprachenunterricht

Betont Koreik (1995:70) Mit­te der 1990er noch die Pro­ble­ma­tik der Kon­kre­ti­sie­rung der Theo­rie des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses für die Pra­xis auf­grund eines Man­gels an empi­ri­scher Nach­weis­bar­keit, so wer­den in neue­ren Ver­öf­fent­li­chun­gen die Vor­tei­le einer erin­ne­rungs­wis­sen­schaft­li­chen Per­spek­ti­ve für die Ver­mitt­lung kul­tu­rel­ler Inhal­te her­vor­ge­ho­ben (so auch in Koreik 2015:15).

Durch­ge­setzt hat sich im DaF-Bereich die Betrach­tungs­wei­se des kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses nach Ass­mann und Ass­mann und ins­be­son­de­re das Nora­sche Kon­zept der Erin­ne­rungs­or­te hat hier regen Anklang gefun­den. Dies betrifft nicht nur theo­re­ti­sche Über­le­gun­gen, son­dern glei­cher­ma­ßen Ver­su­che einer prak­ti­schen Umset­zung bzw. der Didak­ti­sie­rung für das kul­tu­rel­le Ler­nen im Fremd­spra­chen­un­ter­richt. Zu den ers­ten die­ser Ver­su­che zäh­len die Lehr­ma­te­ria­li­en von Schmidt und Schmidt (2007). Aktu­el­le­re Beschäf­ti­gun­gen mit Erin­ne­rungs­or­ten, die teil­wei­se auch didak­ti­sche Emp­feh­lun­gen beinhal­ten, fin­den sich in den Bän­den Erin­ne­rungs­or­te und Erin­ne­rungs­kul­tu­ren (Roche/Röhling 2014) und Kul­tu­rel­les Gedächt­nis und Erin­ne­rungs­or­te im hoch­schul­di­dak­ti­schen Kon­text (Bad­stüb­ner-Kizi­k/Hil­le 2015). Das Netz­werk memo­dics (https://memodics.wordpress.com) stellt dar­über hin­aus neben einer Lite­ra­tur­lis­te auch kon­kre­te Unter­richts­ma­te­ria­li­en zu The­men des kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses sowie zu deutsch-pol­ni­schen Erin­ne­rungs­or­ten zur Ver­fü­gung. Lehr­kräf­te, die das vol­le Poten­ti­al eines erin­ne­rungs­per­spek­ti­vi­schen Ansat­zes im Lan­des­kun­de­un­ter­richt nut­zen wol­len, kom­men jedoch nicht umhin, eige­nes Mate­ri­al zu erstel­len. Nicht zuletzt, weil die Aus­wahl für den Unter­richt geeig­ne­ter Erin­ne­rungs­or­te auch von lern­ergrup­pen­spe­zi­fi­schen Fak­to­ren abhängt. Die Aus­wahl­kri­te­ri­en von Bad­stüb­ner-Kizik (2020:658 f.) hel­fen dabei, ein­zu­schät­zen, wann es sich bei einem kul­tu­rel­len Phä­no­men um einen Erin­ne­rungs­ort han­delt. Auf­grund der Medi­en­ge­bun­den­heit von Bestän­den des kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­ses schließt sich hier direkt die Fra­ge nach der Medi­en­aus­wahl an. In der Pra­xis hat sich ein Zusam­men­spiel von visu­el­len und schrift­li­chen Medi­en als beson­ders geeig­net erwie­sen (vgl. Forn­off 2009:509 f.). Bei der Ver­wen­dung von bereits vor­han­de­nem lan­des­kund­li­chem Lehr­werks­ma­te­ri­al ist Wach­sam­keit gebo­ten. Koreik (1995:75 ff.) ent­deck­te in DaF-Lehr­wer­ken gra­vie­ren­de inhalt­li­che Feh­ler in der Dar­stel­lung his­to­ri­scher Gege­ben­hei­ten. Auch wenn die­ser Fund mehr als zwan­zig Jah­re zurück­liegt, ist das alar­mie­rend. Fak­ten­wis­sen schafft auch beim Ansatz der Erin­ne­rungs­or­te eine wich­ti­ge Grund­la­ge zum hier gefor­der­ten Ver­ständ­nis kom­ple­xer Pro­zes­se von Bedeu­tungs­zu­schrei­bung (vgl. Fornoff/Koreik 2020:53).

Dem Auf­wand der Mate­ri­al­prü­fung und ‑erstel­lung gegen­über ste­hen die Vor­tei­le, wel­che die Ver­mitt­lung kul­tu­rel­ler Inhal­te durch Erin­ne­rungs­or­te mit sich bringt. Einer davon ist die poten­ti­ell inte­gra­tiv wir­ken­de Funk­ti­on. So kann das Ler­nen an Erin­ne­rungs­or­ten die Inte­gra­ti­on in die ziel­sprach­li­che Kul­tur unter­stüt­zen. Dies liegt zum einen in ihrem ein­schlie­ßen­den oder — bei Nicht-Teil­ha­be — aus­schlie­ßen­den Cha­rak­ter begrün­det (vgl. Bad­stüb­ner-Kizik 2020:653). Laut Forn­off (2009:502) ist das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis gar „das wich­tigs­te Bin­de­glied einer sozia­len Grup­pe“. Zum ande­ren kön­nen hier­mit „Wis­sens­be­stän­de […] auf­ge­deckt wer­den, die Vor­aus­set­zun­gen sprach­lich kom­mu­ni­ka­ti­ver Hand­lun­gen sind“ (ebd.:500).

Anlass zur Kri­tik gibt im Fach Deutsch als Fremd­spra­che der natio­na­le Refe­renz­rah­men, in dem der Ansatz der Erin­ne­rungs­or­te ent­stan­den ist (vgl. etwa Bad­stüb­ner-Kizik 2014:43). Dies geschieht ange­sichts der Abwen­dung der Kul­tur­wis­sen­schaf­ten von einem an Län­der­gren­zen ori­en­tier­ten Kul­tur­be­griff im Sin­ne von Natio­nal­kul­tu­ren hin zu einer Zuwen­dung zu einem dyna­mi­schen Ver­ständ­nis von Kul­tu­ren mit dem ihnen inne­woh­nen­dem (Re-)konstruktionscharakter (vgl. etwa Koreik/Roche 2014:9 und Bad­stüb­ner-Kizik 2020:655). Alt­may­er (2017:9 f.) kri­ti­siert in Anbe­tracht einer von Globalisierungs‑, Digi­ta­li­sie­rungs- sowie Migra­ti­ons­pro­zes­sen betrof­fe­nen Welt beson­ders vehe­ment die ver­meint­lich natio­nal­staat­li­che Ori­en­tie­rung der Lan­des­kun­de und for­dert eine Los­lö­sung von sol­chen Kon­struk­ten wie Natio­na­li­tät oder Ter­ri­to­ri­a­li­tät. Dage­gen hal­ten lässt sich ers­tens, dass „auch in Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaf­ten […] natio­nal­his­to­ri­sche For­men der Gedächt­nis­bil­dung iden­ti­täts­kon­sti­tu­ti­ven Cha­rak­ter [haben]“ (Fornoff/Koreik 2020:49; vgl. dazu auch auf die dar­in hin­ge­wie­se­nen Stu­di­en von Kölbl 2004 und 2008 zum Geschichts­be­wusst­sein von Jugend­li­chen in Deutsch­land). Zwei­tens kann der Ansatz der Erin­ne­rungs­or­te auch in nicht natio­na­len Kon­tex­ten ange­wen­det wer­den, (vgl. Fornoff/Koreik 2020:52 ff.). Ein Beleg dafür sind die Ansät­ze der geteil­ten, gemein­sa­men und par­al­le­len Erin­ne­rungs­or­te, wie etwa im fünf­bän­di­gen Werk Deutsch-pol­ni­sche Erin­ne­rungs­or­te (Hahn/Traba 2012–2015) umge­setzt. Die genann­ten Ansät­ze las­sen nicht nur die Gegen­über­stel­lung inhalt­lich glei­cher oder ähn­li­cher Erin­ne­rungs­or­te inner­halb ver­schie­de­ner kol­lek­ti­ver Gedächt­nis­se zu, son­dern auch den Ver­gleich inhalt­lich unter­schied­li­cher Erin­ne­rungs­or­te mit einer ähn­li­chen iden­ti­täts­stif­ten­den Wir­kung (sog. par­al­le­le Orte). Sen­si­bi­li­tät beim Ein­satz solch kul­tur­kon­tras­ti­ver Ansät­ze bedarf es bei Ler­nen­den, die aus Kul­tu­ren ohne gedächt­nis­ge­schicht­li­che Denk­wei­sen stam­men, denn die­se könn­ten sich in ihrer Iden­ti­tät ange­grif­fen füh­len (vgl. Forn­off 2009:514 f.).

Koreik und Roche (2014:21 f.) sehen das Kon­zept der Erin­ne­rungs­or­te zudem als dazu geeig­net, den Trans­dif­fe­renz­an­satz im fremd­sprach­li­chen Lan­des­kun­de­un­ter­richt umzu­set­zen. Bei die­sem Ansatz geht es dar­um, Dif­fe­renzen zu beto­nen und den Umgang mit ihnen zu erpro­ben. Am Ende steht weder deren Auf­lö­sung noch die Über­nah­me des Frem­den ins Eige­ne, was die Arbeit mit Erin­ne­rungs­or­ten eben nicht zwin­gend ver­langt (vgl. ebd.).

Die Kon­zep­ti­on der Erin­ne­rungs­or­te wird nicht zuletzt als Chan­ce wahr­ge­nom­men, die For­de­rung der ABCD-The­sen (IDV 1990:17) zu erfül­len, im fremd­sprach­li­chen Lan­des­kun­de­un­ter­richt his­to­ri­sche Inhal­te mit Gegen­warts­be­zug zu ver­mit­teln (vgl. Bad­stüb­ner-Kizik 2020:655; Forn­off 2009:506 f.; Koreik 2015:23), da „hier Phä­no­me­ne fokus­siert [wer­den], die es […] aus der Ver­gan­gen­heit in die Gegen­wart ‚geschafft‘ haben“ (Bad­stüb­ner-Kizik 2020:655). Vor einer zu ober­fläch­li­chen Betrach­tungs­wei­se die­ser Phä­no­me­ne kann der Ansatz jedoch nicht schüt­zen (vgl. Koreik/Roche 2014:9).

Koreiks Befürch­tung, dass den Erin­ne­rungs­or­ten das­sel­be Schick­sal wie dem Kon­zept der Inter­kul­tu­ra­li­tät ereilt und sie sich durch einen infla­tio­nä­ren Begriffsge­brauch zu einer rei­nen Mode­er­schei­nung ent­wi­ckeln (vgl. Koreik 2015:30), hat sich bis­her noch nicht bestä­tigt. Im Gegen­teil, das Ende des soge­nann­ten Erin­ne­rungs­booms ist noch nicht absehbar.

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Kol­lo­ka­ti­on

(Sabi­ne De Knop & Jörg Roche)

Col­lo­ca­ti­on

Unter Kol­lo­ka­tio­nen ver­steht man in der Fremd­spra­chen­di­dak­tik häu­fig gemein­sam mit­ein­an­der vor­kom­men­de, in ihrer Kom­bi­na­ti­on vor­aus­sag­ba­re lexi­ka­li­sche Ein­hei­ten, zum Bei­spiel blond und Haar. Neue­re Model­le des Fremd­spra­che­n­er­werbs gehen davon aus, dass ein Ler­nen in fes­ten Kol­lo­ka­tio­nen, näm­lich in Sequen­zen und Chunks, beson­ders in den Anfangs­pha­sen des Erwerbs, eine Grund­be­din­gung für erfolg­rei­chen Erwerb ist (Hand­wer­ker 2008). Die zugrun­de­lie­gen­de Idee ist, dass „much of com­mu­ni­ca­ti­on makes use of fixed expres­si­ons memo­ri­zed as for­mu­laic chunks” (Ellis & Cadier­no 2009: 114). Kom­mu­ni­ka­ti­on beruht auf sol­chen Sequen­zen, ent­we­der in der Form von Kol­lo­ka­tio­nen, von Mehr­wort-Sequen­zen, von Holo­phra­sen, von Phra­semen, von Idio­men (Wulff 2012). Das Fremd­spra­chen­ler­nen ist „the lear­ning of an inven­to­ry of pat­terns as arran­ge­ments of words with their asso­cia­ted struc­tu­ral mea­nings” (Ellis & Cadier­no 2009: 114). Pat­terns sind hier nicht zu ver­ste­hen als fixier­te, aber kon­text­lo­se Scha­blo­nen im Sin­ne der audio­lin­gua­len Metho­de, son­dern als rekur­ren­te, bedeu­tungs­vol­le Muster.

Lite­ra­tur

Ellis, Nick & Cadier­no, Tere­sa (2009), Con­s­truc­ting a Second Lan­guage. Intro­duc­tion to the spe­cial sec­tion. Annu­al Review of Cogni­ti­ve Lin­gu­i­stics 7, 11–139.

Hand­wer­ker, Bri­git­te (2008), ‘Chunks’ und Kon­struk­tio­nen – Zur Inte­gra­ti­on von lern­theo­re­ti­schem und gram­ma­ti­schem Ansatz. Estu­di­os Filoló­gi­cos Ale­ma­nes 15, 49–64.

Wulff, Ste­fa­nie (2012), Idio­ma­ti­ci­ty. In: Robin­son, Peter (Ed.), The Rout­ledge Ency­clo­pe­dia of Second Lan­guage Acqui­si­ti­on. Lon­don: Rout­ledge, 291–293.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

 

Kom­pe­tenz

(San­dra Drumm & Jörg Roche)

Com­pe­tence

Kom­pe­ten­zen sind nach Wei­nert (2003: 27–28) „die bei Indi­vi­du­en ver­füg­ba­ren oder durch sie erlern­ba­ren kogni­ti­ven Fähig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten, um bestimm­te Pro­ble­me zu lösen, sowie die damit ver­bun­de­nen moti­va­tio­na­len, voli­tio­na­len und sozia­len Bereit­schaf­ten und Fähig­kei­ten, um die Pro­blem­lö­sun­gen in varia­blen Situa­tio­nen erfolg­reich und ver­ant­wor­tungs­voll nut­zen zu kön­nen“. Die Fächer der Schu­le sind mit bestimm­ten Kom­pe­ten­zen ver­bun­den, die die Ler­ner durch die Aus­ein­an­der­set­zung mit den fach­li­chen The­men erwer­ben sol­len und die über die Kennt­nis des rei­nen Inhalts hin­aus­rei­chen. Die Ori­en­tie­rung auf Kom­pe­ten­zen, also das, was erreicht wer­den soll, steht im Mit­tel­punkt aller neue­ren Refe­renz­rah­men und Cur­ri­cu­la. Sie unter­schei­det sich stark von der Steue­rung des Unter­richts durch den Input oder instruk­tio­nel­le Maß­nah­men der Lehr­kräf­te. Der Gemein­sa­me Euro­päi­sche Refe­renz­rah­men  ist ein wich­ti­ges Bei­spiel für Can-Do-Kom­pe­ten­zen (Kom­pe­tenz­ni­veaus). Die Infla­ti­on des Kom­pe­tenz-Begriffes im Bil­dungs­be­reich wird inzwi­schen oft kri­ti­siert, da kei­ne Trenn­schär­fe besteht.

Lite­ra­tur

  • Bausch, Karl-Richard; Bur­witz-Mel­zer, Eva & Krumm, Hans-Jür­gen (Hrsg.) (2008), Fremd­spra­chen­ler­nen erfor­schen: sprach­spe­zi­fisch oder spra­chen­über­grei­fend? Arbeits­pa­pie­re der 28. Früh­jahrs­kon­fe­renz zur Erfor­schung des Fremd­spra­chen­un­ter­richts. Tübin­gen: Narr.
  • Wei­nert, Franz E. (2003), Leis­tungs­mes­sun­gen in Schu­len. Wein­heim, Basel: Beltz.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wis­sen­schafts­spra­chen der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­struk­tio­nen

(Jörg Roche)

Con­s­truc­tions

Kon­struk­tio­nen sind Aus­druck der sym­bo­li­schen Struk­tur der Spra­che und Form-Bedeu­tungs­paa­re mit seman­ti­schen, lexi­ka­li­schen und gram­ma­ti­schen Merk­ma­len. Dem­nach sind sowohl ditran­si­ti­ve Sät­ze (zum Bei­spiel Pep gibt den Bay­ern einen Korb) als auch gram­ma­ti­sche Mor­phe­me (zum Bei­spiel -ling, -er oder -ung) oder ein­zel­ne ein­fa­che lexi­ka­li­sche Wör­ter (zum Bei­spiel Insti­tut, Bei­rat oder Sozio­lin­gu­is­tik) als Kon­struk­tio­nen mit Form- und Bedeu­tungs­ebe­ne anzu­se­hen. Kon­struk­tio­nen sind der zen­tra­le Unter­su­chungs­ge­gen­stand der Kon­struk­ti­ons­gram­ma­tik.

Lite­ra­tur

  • Beh­rens, Hei­ke (2009), Kon­struk­tio­nen im Sprach­er­werb. Zeit­schrift für Ger­ma­nis­ti­sche Lin­gu­is­tik 37: 3, 427–444.
  • Toma­sel­lo, Micha­el (2003), Con­s­truc­ting a Lan­guage. A Usa­ge-Based Theo­ry of Lan­guage Acqui­si­ti­on. Cam­bridge, Mass: Har­vard Uni­ver­si­ty Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wis­sen­schafts­spra­chen der Mul­ti­l­in­gua Akademie)

Kon­struk­ti­ons­gram­ma­tik

(Jörg Roche & Kees de Bot)

Con­s­truc­tion Grammar

Die­ser Ansatz, der aller­dings kei­ne ein­heit­li­che Theo­rie bil­det, geht von einem engen Zusam­men­hang zwi­schen Gram­ma­tik und Kogni­ti­on aus. Spra­che besteht aus sym­bo­li­schen Struk­tu­ren, die eine Form- und eine Bedeu­tungs­sei­te haben. Die­se Form-Bedeu­tungs­paa­re, die als Kon­struk­tio­nen bezeich­net wer­den, fin­den sich sowohl im Lexi­kon als auch in der Gram­ma­tik. Dem­nach sind sowohl ditran­si­ti­ve Sät­ze (z.B. Pep gibt den Bay­ern einen Korb) als auch gram­ma­ti­sche Mor­phe­me (zum Bei­spiel ling, ‑er oder ‑ung) oder gar ein­zel­ne ein­fa­che lexi­ka­li­sche Wör­ter (zum Bei­spiel Insti­tut, Bei­rat oder Sozio­lin­gu­is­tik) als Kon­struk­tio­nen anzu­se­hen. Die Kon­struk­ti­ons­gram­ma­tik erlaubt wei­ter­hin eine prä­zi­se­re Beschrei­bung der Zwi­schen­sta­di­en des Sprach­er­werbs, weil sie auch die­je­ni­gen Kon­struk­tio­nen der Ler­nerspra­che erfasst, die in unter­schied­li­cher Inten­si­tät von den ziel­sprach­li­chen Kon­struk­tio­nen abweichen.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­takt­hy­po­the­se (Kul­tu­ren)

(Manue­la Sato-Prinz)

Cont­act Hypothesis

Die Kon­takt­hy­po­the­se besagt, dass der Kon­takt zwi­schen Mit­glie­dern unter­schied­li­cher Grup­pen die Ein­stel­lun­gen der Grup­pen­mit­glie­der der einen Grup­pe gegen­über der ande­ren Grup­pe posi­tiv beein­flus­sen kann. Ver­schie­de­ne Bedin­gun­gen, wie der glei­che Sta­tus oder die Errei­chung eines gemein­sa­men Ziels durch Koope­ra­ti­on, erwei­sen sich dabei als för­der­lich. Die Kon­takt­hy­po­the­se wur­de erst­mals von All­port (1954) for­mu­liert. Pet­ti­g­rew (1998) kon­kre­ti­sier­te und unter­teil­te sie in drei Pha­sen: Deka­te­go­ri­sie­rung, Sali­enz der ursprüng­li­chen Kate­go­ri­sie­rung und Reka­te­go­ri­sie­rung. Zu Beginn des Kon­takts neh­men sich die inter­agie­ren­den Per­so­nen als Indi­vi­du­en wahr, unab­hän­gig von ihrer (kul­tu­rel­len) Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit (Deca­te­go­riza­ti­on). Durch Koope­ra­ti­on kön­nen Unsi­cher­heit ab- und posi­ti­ve Gefüh­le auf­ge­baut wer­den, bevor den Per­so­nen bewusst wird, dass sie eigent­lich zu unter­schied­li­chen (kul­tu­rel­len) Grup­pen gehö­ren (Sali­ent Cate­go­riza­ti­on). Die posi­ti­ven Erfah­run­gen auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne wer­den im güns­tigs­ten Fall auf die (kul­tu­rel­le) Grup­pe der ande­ren Betei­lig­ten über­tra­gen. Es wird ein neu­es Grup­pen­ver­ständ­nis, ein Wir-Gefühl, aus­ge­bil­det (Reca­te­go­riza­ti­on).

Lite­ra­tur

  • All­port, Gor­don W. (1954), The Natu­re of Pre­ju­di­ce. Cam­bridge, Mass.: Addi­son-Wes­ley Publi­shing Company.
  • Pet­ti­g­rew, Tho­mas F. (1998), Inter­group Cont­act Theo­ry. Annu­al Review of Psy­cho­lo­gy 49, 65–85.
  • Stür­mer, Ste­fan (2009), Die Kon­takt­hy­po­the­se. In: Peter­sen, Lars-Eric & Six, Bernd (Hg.), Ste­reo­ty­pe, Vor­ur­tei­le und sozia­le Dis­kri­mi­nie­rung. Theo­rien, Befun­de und Inter­ven­tio­nen. Wein­heim: Beltz PVU, 283–288.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 7 Kul­tur- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­takt­lin­gu­is­tik

(Gesi­ne Len­ore Schiewer)

Cont­act Linguistics

Kon­takt­lin­gu­is­tik beschäf­tigt sich mit der Erfas­sung, der Beschrei­bung, der Model­lie­rung, der Typi­sie­rung, der Inter­pre­ta­ti­on und der Eva­lua­ti­on jeg­li­cher Mani­fes­ta­tio­nen von Spra­chen­kon­takt, sowohl im Hin­blick auf die Bedin­gun­gen als auch auf den Pro­zess und des­sen Ergeb­nis, ein­schließ­lich des Kon­takt­ver­hal­tens und des Kon­tak­ter­le­bens der Spre­cher (ver­glei­che Föl­des 2010). Zum Bei­spiel hat die lite­ra­ri­sche Ver­wen­dung und Gestal­tung des Deut­schen in der Gegen­wart, wie auch in der Ver­gan­gen­heit, kon­takt­lin­gu­is­ti­sche Dimen­sio­nen, auch wenn die­ser Aspekt in der Kon­takt­lin­gu­is­tik und Mehr­spra­chig­keitsfor­schung bis­lang eher am Ran­de behan­delt wird. Die deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­tur wird mit ande­ren Wor­ten von anders­spra­chi­gen Lite­ra­tu­ren beein­flusst und wirkt ihrer­seits auf ande­re. Dar­über hin­aus bezieht sich der Begriff „inter­na­tio­na­le Lite­ra­tur­spra­che“ auch dar­auf, dass das Deut­sche über natio­na­le Gren­zen hin­weg lite­ra­risch ver­wen­det wird und dabei natür­lich auch ste­tig vari­iert und fort­ent­wi­ckelt wird.

Lite­ra­tur  

  • Föl­des Csa­ba (2010), Was ist Kon­takt­lin­gu­is­tik? Noti­zen zu Stand­ort, Inhal­ten und Metho­den einer Wis­sen­schafts­kul­tur im Auf­bruch. In: Berg­mann, Hubert, Glau­nin­ger Man­fred M., Wandl-Vogt, Eve­ly­ne & Win­ter­stein, Ste­fan (Hg.), Fokus Dia­lekt. Ana­ly­sie­ren – Doku­men­tie­ren – Kom­mu­ni­zie­ren. Fest­schrift für Inge­borg Gey­er zum 60. Geburts­tag. (= Ger­ma­nis­ti­sche Lin­gu­is­tik. 199–201). Olms Hildesheim/ Zürich/ New York 2010, 133–156.
  • Schie­wer, Gesi­ne Len­ore (2015), Die Noma­di­sie­rung der Moder­ne (Ilja Tro­ja­now) als sprach­poe­ti­sches Pro­gramm. Inter­kul­tu­rel­le Lite­ra­tur­wis­sen­schaft und Fremd­spra­chen­un­ter­richt am Bei­spiel von ‚Cha­mis­so-Lite­ra­tur’. In: IDT 2013, Bd. 1, Haupt­vor­trä­ge, hg. von Hans Drumbl und Anto­nie Hor­nung. Bozen: bu,press, 149–171.

 (Mehr zu die­sem The­ma im Modul 7 Kul­tur- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­tex­tua­li­sie­rungs­theo­rie

(Gesi­ne Len­ore Schiewer)

Con­tex­tua­liza­ti­on (Inter­ac­tion­al Sociolinguistics)

Man spricht von inter­ak­tio­na­ler Sozio­lin­gu­is­tik und Kon­tex­tua­li­sie­rungs­theo­rie. Die­sem Ansatz zufol­ge ist Spra­che und Kom­mu­ni­ka­ti­on in räum­li­che, zeit­li­che und situa­ti­ve Kon­tex­te ein­ge­bet­tet; die­se Kon­tex­te wer­den von den Inter­ak­tan­ten im Pro­zess der Ver­stän­di­gung berück­sich­tigt. Die Art, wie Men­schen ihre objek­ti­ven Lebens­ge­ge­ben­hei­ten mit­tels Spra­che gestal­ten – die deno­ta­ti­ve Bedeu­tung – wer­den eben­so berück­sich­tigt wie der sub­jek­tiv gemein­te Sinn mit sei­nen kul­tu­rel­len Dimen­sio­nen. Rech­nung getra­gen wird also sowohl den Frei­hei­ten der Sprach­ver­wen­dung – das heißt der indi­vi­du­el­len oder krea­ti­ven Sinn­ge­bung – als auch der ver­stän­di­gungs­si­chern­den Norm- und Regel­ori­en­tie­rung des Sprach­ge­brauchs. Im Zen­trum steht die inter­ak­ti­ve Abklä­rung des jeweils Gemein­ten durch die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner und ‑part­ne­rin­nen im emer­gen­ten Pro­zess der sozia­len Aus­hand­lung von Bedeutungen.

Lite­ra­tur

  • Gum­perz, John (1982), Dis­cour­se Stra­te­gies. Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 7 Kul­tur- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

 

Kon­tex­tu­el­le Metapher

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

Con­tex­tu­al Metaphor

Wenn bei pik­to­ria­len Meta­phern die Infor­ma­ti­on aus dem Kon­text (zum Bei­spiel das beglei­ten­de Bild) zur Erschlie­ßung der Meta­pher bei­trägt, spricht man von einer kon­tex­tu­el­len Meta­pher. Wenn eine Sprach­schu­le „Rücken­de­ckung“ beim Spra­chen­ler­nen anbie­tet und dazu ein Bild von Gar­de­sol­da­ten ver­wen­det, kann die Meta­pher SPRA­CHEN­LER­NEN IST EIN KAMPF kon­tex­tu­ell erschlos­sen wer­den. Es wird evo­ziert, dass die Sprach­schu­le den Schü­lern die Unter­stüt­zung bie­tet, die sie zur Bewäl­ti­gung kom­mu­ni­ka­ti­ver Situa­tio­nen in der Fremd­spra­che benötigen.


Literatur

  • Force­ville, Charles (2008), Meta­phor in pic­tures and mul­ti­mo­dal repre­sen­ta­ti­ons. In: Gibbs, Ray­mond W. Jr. (Ed.), The Cam­bridge Hand­book of Meta­phor and Thought. Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press, 462–482.

Kon­ti­gui­tät

(Isa­bel Hoffmann)

Dar­un­ter ver­steht man die räum­li­che und zeit­li­che Nähe bei der Dar­bie­tung von mul­ti­mo­da­len Infor­ma­tio­nen. Die­se sind nach der kogni­ti­ven Theo­rie des mul­ti­me­dia­len Ler­nens für den Lern­erfolg för­der­li­cher als die jeweils räum­lich oder zeit­lich getrenn­te Prä­sen­ta­ti­on ent­spre­chen­der Infor­ma­tio­nen (ver­glei­che May­er 2014; May­er, Hei­ser & Lonn 2001; May­er & Moreno 1998a, 1998b).

Lite­ra­tur

  • May­er, Richard. E., Hei­ser, Julie & Lonn, Ste­ve (2001), Cogni­ti­ve cons­traints on mul­ti­me­dia lear­ning: When pre­sen­ting more mate­ri­al results in less under-stan­ding. Jour­nal of Edu­ca­tio­nal Psy­cho­lo­gy 93: 1, 187–198.
  • May­er, Richard E. & Moreno, Rox­a­na (1998a), A cogni­ti­ve theo­ry of mul­ti­me­dia lear­ning: Impli­ca­ti­ons for design prin­ci­ples. In: CHI-98 Work­shop on Hyped-Media to Hyper-Media, Los Ange­les, USA.
  • May­er, Richard E. & Moreno, Rox­a­na (1998b), A split-atten­ti­on effect in mul­ti­me­dia lear­ning: Evi­dence for dual pro-ces­sing sys­tems in working memo­ry. Jour­nal of Edu­ca­tio­nal Psy­cho­lo­gy 90, 312–320.
  • May­er, Richard E. (Ed.) (2014), The Cam­bridge Hand­book of Mul­ti­me­dia Lear­ning (2nd ed.). New York: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 9 Grund­la­gen der Medi­en­wis­sen­schaft und Medi­en­di­dak­tik der Mul­ti­l­in­gua Akademie)

Kon­tras­ti­ve Textologie

Die ver­gleichs­wei­se jun­ge Dis­zi­plin der kon­tras­ti­ven Tex­tolo­gie beschäf­tigt sich mit wis­sen­schafts­spe­zi­fi­schen Objek­ti­va­tio­nen. Ihre Ver­fah­ren und Ergeb­nis­se schla­gen sich nicht nur in begrifflichen, son­dern auch in tex­tu­el­len Struk­tu­ren nieder.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wis­sen­schafts­spra­chen der Mul­ti­l­in­gua Akademie)

Kon­ven­tio­na­li­sie­rung

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

Con­ven­tio­na­liza­ti­on

Im Pro­zess der Sprach­ent­wick­lung ent­ste­hen Neo­lo­gis­men, die durch häu­fi­ge­re Ver­wen­dung bei einer Per­son oder in einer Sprach­ge­mein­schaft all­ge­mei­ne Akzep­tanz fin­den. Sie bür­gern sich ein, bis sie sich zu fes­ten Kon­struk­tio­nen ver­fes­ti­gen (ent­rench­ment). Die ein­zel­nen Tei­le mehr­tei­li­ger Kon­struk­tio­nen sind oft nicht mehr als Ein­zel­tei­le erkenn­bar (sie­he Nicht-Kom­po­si­tio­na­li­tät).

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­ver­genz im Codewechsel

(Jörg Roche & Kees de Bot)

Con­ver­gence

Anstel­le gene­rel­ler Prin­zi­pi­en im Code-Swit­ching kön­nen gemein­sa­me Ten­den­zen der Kon­ver­genz ange­führt wer­den. Dem­nach glei­chen sich Spra­chen ein­an­der mehr an, um Code­wech­sel zu erleichtern.

Lite­ra­tur

Cly­ne, Micha­el (2003), Dyna­mics of lan­guage cont­act. Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­si­ty Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 4 Mehr­spra­chig­keit und Spra­che­n­er­werb der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­zept (kogni­ti­ve Linguistik)

Con­cept

Vie­le Berei­che der Spra­che las­sen sich im Kon­text der kogni­ti­ven Lin­gu­is­tik anhand von all­ge­mei­nen Prin­zi­pi­en der Per­zep­ti­on sowie Pro­zes­sen des bild­li­chen Den­kens beschrei­ben. Beim Spre­chen greift man häu­fig auf all­täg­li­che kör­per­li­che Erfah­run­gen, wie bespiels­wei­se Raum­er­fah­run­gen (OBENUNTEN, VOR­NE-HIN­TEN, VER­TI­KA­LI­TÄT etc.) oder Kraft und Dyna­mik zurück. So nutzt man zum Bei­spiel bei Aus­drü­cken wie wir haben den Ter­min vor­ver­legt oder nach hin­ten ver­scho­ben räum­li­che Kon­zep­te wie VOR und HIN­TEN, um sich auf das abs­trak­te Kon­zept der Zeit zu beziehen.
Auch Meta­phern las­sen sich häu­fig auf kör­per­li­che Erfah­run­gen zurück­füh­ren, so sitzt man zwi­schen zwei Stüh­len, wenn man sich nicht ent­schei­den kann oder in einer Situa­ti­on unwohl fühlt.
Durch die kul­tur­spe­zi­fi­sche Prä­gung der Kon­zep­te ent­ste­hen häu­fig sprach­li­che Feh­ler, deren wirk­li­che Ursa­che an der Ober­flä­che nicht unbe­dingt sicht­bar werden.

Lite­ra­tur

  • Evans, Vyvyan (2012), Cogni­ti­ve lin­gu­i­stics. Wiley Inter­di­sci­pli­na­ry Reviews: Cogni­ti­ve Sci­ence 3: 2, 129–141.
  • Evans, Vyvyan & Green, Mela­nie (2006), Cogni­ti­ve Lin­gu­i­stics. An Intro­duc­tion. Mah­wah, N.J: L. Erlbaum.
  • Lang­acker, Ronald W. (2008), Cogni­ti­ve Grammar. A Basic Intro­duc­tion. Oxford, New York: Oxford Uni­ver­si­ty Press.

Kon­zep­tua­li­sie­rung (kogni­ti­ve Linguistik)

(Fer­ran Suñer Muñoz & Jörg Roche)

Con­cep­tua­li­sa­ti­on

Unter Kon­zep­tua­li­sie­rung ver­steht man in der kogni­ti­ven Lin­gu­is­tik die Fähig­keit, Erfah­run­gen auf eine bestimm­te Wei­se men­tal zu kon­stru­ie­ren (con­s­tru­al bei Lang­acker 2008, ima­ging sys­tem bei Tal­my 2000). Aspek­te der Spe­zi­fi­zi­tät, Fokus­sie­rung, Sali­enz und Per­spek­ti­vie­rung bestim­men die Kon­zep­tua­li­sie­rung, die sich an der sprach­li­chen Ober­flä­che in unter­schied­li­chen lexi­ka­li­schen oder gram­ma­ti­schen Rea­li­sie­run­gen niederschlagen.
All die­se Prin­zi­pi­en all­ge­mei­ner Kogni­ti­on sind für eine erfolg­rei­che Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­schlag­ge­bend, blei­ben aber den Spre­chern in der Regel ver­bor­gen, da sie beim Zuhö­ren in der Regel auf den Inhalt fokus­siert sind. Im Kon­text der Sprach­ver­mitt­lung erweist es sich als sehr hilf­reich, die ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten der Orga­ni­sa­ti­on kon­zep­tu­el­len Inhalts sicht­bar zu machen. Da die Kon­zep­tua­li­sie­rung auch den Pro­zess der For­mu­lie­rung von sprach­li­chen Nach­rich­ten steu­ert, kann nur die ange­mes­se­ne Kon­zep­tua­li­sie­rung den Aus­gangs­punkt für die Gram­ma­tik­ver­mitt­lung darstellen.

Lite­ra­tur

Lang­acker, Ronald W. (2008), Cogni­ti­ve grammar as a basis for lan­guage ins­truc­tion. In: Robin­son, Peter & Ellis, Nick C. (Eds.), Hand­book of Cogni­ti­ve Lin­gu­i­stics and Second Lan­guage Acqui­si­ti­on. New York: Rout­ledge, 66–88.
Tal­my, Leo­nard (2000), Toward a Cogni­ti­ve Seman­ti­cs. Vol. 1: Con­cept Struc­tu­ring Sys­tems. Cam­bridge: MIT Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­zep­tu­el­le Kompetenz

(Jörg Roche)

Con­cep­tu­al Competence

Die kon­zep­tu­el­le Kom­pe­tenz beschreibt die Fähig­keit, die phy­si­sche und sozia­le Kon­struk­ti­on einer frem­den Situa­ti­on wahr­zu­neh­men und in der Lage zu sein, sich dar­in ange­mes­sen zu bewe­gen, ohne sich ihr kon­for­mis­tisch anzupassen.

Lite­ra­tur

Dane­si, Mar­cel (2008), Con­cep­tu­al errors in second-lan­guage lear­ning. In: De Knop, Sabi­ne & De Rycker, Teun (Eds.), Cogni­ti­ve Approa­ches to Pedago­gi­cal Gramm­er. Berlin/New York: De Gruy­ter, 231–256.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kon­zep­tu­el­le Metapher

(Jörg Roche & Fer­ran Suñer Muñoz)

Con­cep­tu­al Metaphor

Mit dem Begriff der kon­zep­tu­el­len Meta­pher wird das kon­zep­tu­el­le Gerüst einer Meta­pher bezeich­net. Es ent­steht aus der Pro­jek­ti­on (Map­ping) einer Quel­len­do­mä­ne (hier­bei kann es sich auch um eine Basis­do­mä­ne han­deln) auf eine Ziel­do­mä­ne. Kon­zep­tu­el­le Meta­phern bestim­men den Sprach­ge­brauch und sind all­ge­gen­wär­tig. Ein Chat Room hat zum Bei­spiel kei­ne phy­si­sche Gestalt wie ein Raum, der Kopf/Anfang eines Monats hat in asia­ti­schen Spra­chen weder Kopf, Hand noch Fuß, genau­so wenig wie einen räum­li­chen Anfang oder ein räum­li­ches Ende im Deut­schen. Kon­zep­tu­el­le Meta­phern unter­schei­den sich vom rhe­to­ri­schen Meta­phernbe­griff, der auf sprach­li­che (lite­ra­ri­sche) Figu­ren begrenzt ist. Die sprach­li­che Mani­fes­ta­ti­on des kon­zep­tu­el­len Meta­phernge­halts zeigt sich in lin­gu­is­ti­schen Meta­phern.

Aus der kon­zep­tu­el­len Meta­pher DIE LIE­BE (Bild­emp­fän­ger-Domä­ne) IST EINE REI­SE (Bild­spen­der-Domä­ne) las­sen sich bei­spiels­wei­se die lin­gu­is­ti­schen Meta­phern unse­re Bezie­hung führt zu nichts oder wir wol­len einen gemein­sa­men Weg gehen ableiten.

Lite­ra­tur

  • Lakoff, Geor­ge & John­son, Mark (1980), Meta­phors we live by. Chi­ca­go: The Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kor­pus

(Ruth Albert & Patri­cia Boos)

Cor­pus

Ein Kor­pus ist eine Samm­lung schrift­li­cher oder gespro­che­ner (meist tran­skri­bier­ter) Sprach­da­ten als Grund­la­ge für sprach­wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­sen. Für das Deut­sche gibt es eine gro­ße Anzahl an Kor­po­ra. Häu­fig die­nen fol­gen­de Kor­pus­ty­pen als Unter­su­chungs­grund­la­ge: Kor­po­ra geschriebener/gesprochener Spra­che, Refe­renz­kor­po­ra (zum Bei­spiel das deut­sche Refe­renz­kor­pus), spe­zia­li­sier­te Kor­po­ra (zum Bei­spiel zur Wis­sen­schafts­spra­che), synchrone/diachrone Kor­po­ra (Sprach­ge­brauch zu einem bestimm­ten Zeitpunkt/Sprachwandel im Lau­fe der Zeit; zum Bei­spiel das Digi­ta­le Wör­ter­buch der Deut­schen Spra­che), mul­ti­me­dia­le Kor­po­ra, Kor­po­ra zu Ler­nerspra­chen (zum Bei­spiel das FAL­KO-Kor­pus) etc.

Vie­le Kor­po­ra lie­gen digi­ta­li­siert (meist auch über das Inter­net frei zugäng­lich) vor, so dass ein com­pu­ter­ba­sier­tes auto­ma­ti­sches Durch­su­chen  der Kor­po­ra mög­lich wird. Meist kön­nen ein­zel­ne Wör­ter oder Wort­kom­bi­na­tio­nen ein­ge­ge­ben wer­den und man bekommt Beleg­stel­len, die die­se Wör­ter in ihrem Kon­text zei­gen (Kol­lo­ka­ti­onen). Noch mehr Hil­fe­stel­lung bie­ten so genann­te ‚anno­tier­te Kor­po­ra‘. Die­se sind bereits nach bestimm­ten Kri­te­ri­en vor-aus­ge­wer­tet. Sind zum Bei­spiel  die syn­tak­ti­schen Rol­len der ein­zel­nen Tei­le im Satz ange­ge­ben, so kann man das Kor­pus unter ande­rem nach Akku­sa­tiv­ob­jek­ten durchsuchen.

Lite­ra­tur

  • Albert, Ruth & Marx, Nico­le (2014), Empi­ri­sches Arbei­ten in Lin­gu­is­tik und Sprach­lehr­for­schung. Anlei­tung zu quan­ti­ta­ti­ven Stu­di­en von der Pla­nungs­pha­se bis zum For­schungs­be­richt (2. über­ar­bei­te­te Auf­la­ge). Tübin­gen: Narr.
  • Lem­nit­zer, Lothar & Zins­meis­ter, Hei­ke (2006), Kor­pus­lin­gu­is­tik. Tübin­gen: Narr.
  • Sche­rer, Car­men (2006), Kor­pus­lin­gu­is­tik. Hei­del­berg: Winter.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 3 Pro­pä­deu­ti­kum wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten der Mul­ti­l­in­gua Akademie)

Kraft-Dyna­mik

(Fer­ran Suñer Muñoz & Jörg Roche)

Force-Dyna­mics

Ein beson­ders inten­siv erforsch­ter Bereich der Nut­zung von Bild­sche­ma­ta als kon­zep­tu­el­le Basis bestimm­ter Gram­ma­tik­be­rei­che fin­det sich im soge­nann­ten Vor­stel­lungs­sys­tem der Kraft-Dyna­mik von Tal­my (2000). In die­sem Ansatz nimmt Tal­my kin­äs­the­ti­sche Erfah­run­gen (kör­per­li­che Erfah­run­gen in Bezug auf Kraft und Bewe­gung) sowie soma­to­sen­so­ri­sche Erfah­run­gen (kör­per­li­che Erfah­run­gen in Bezug auf Druck und Schmerz) als Grund­la­ge zur Beschrei­bung von Spra­che und vor allem der Kau­sa­li­tät. So kann der Satz Das Flug­zeug stürz­te ins Meer sowohl in Bezug auf die ver­ur­sa­chen­de Kraft ergänzt wer­den (Das Flug­zeug stürz­te ins Meer wegen eines Anfän­ger­feh­lers des Pilo­ten) als auch in Bezug auf die dyna­mi­sche Oppo­si­ti­on (Das Flug­zeug stürz­te ins Meer trotz des star­ken Auf­triebs). Die­se Inter­ak­tio­nen zwi­schen Kraft und Dyna­mik über­trägt Tal­my unter ande­rem auch auf psy­cho­lo­gi­sche und sozia­le Domä­nen. So unter­schei­det sich der eher neu­tra­le Satz Die DDR öff­ne­te die Mau­er beträcht­lich vom Satz Die DDR wur­de dazu gezwun­gen, die Mau­er zu öff­nen, und zwar in der sozia­len Kraft, die auf sie aus­ge­übt wird („Wir sind das Volk“). Kraft-Dyna­mik-Ver­hält­nis­se kön­nen unter ande­rem zur sys­te­ma­ti­schen Erklä­rung der kon­zep­tu­el­len Struk­tur von Kon­nek­to­ren und Prä­po­si­tio­nen (kon­zes­si­ve, kau­sa­le etc.) und Modal­ver­ben her­an­ge­zo­gen werden.

Lite­ra­tur

  • Evans, Vyvyan & Mela­nie Green (2006), Cogni­ti­ve Lin­gu­i­stics. An Intro­duc­tion. Mah­wah, N.J.: L. Erlbaum.
  • Tal­my, Leo­nard (2000), Toward a Cogni­ti­ve Seman­ti­cs. Vol. 1: Con­cept Struc­tu­ring Sys­tems. Cam­bridge: MIT Press.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 1 Spra­chen­ler­nen und Kogni­ti­on der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kreo­li­sie­rung, Restruk­tu­rie­rung, Fossilisierung

(Jörg Roche & Sven­ja Uth)

Creo­li­sa­ti­on, Res­truc­tu­ring & Fossilization

Da eine Kreol­spra­che im Gegen­satz zu einer Pidg­in­spra­che nicht mehr auf bestimm­te Situa­tio­nen und Funk­ti­ons­be­rei­che beschränkt ist, son­dern alle mög­li­chen Funk­tio­nen einer L1 abde­cken soll, muss die Spra­che aus­ge­baut wer­den. Es kommt zu einer Erwei­te­rung des Voka­bu­lars, zu einer Diver­si­fi­ka­ti­on und Regu­la­ti­on der pho­ne­ti­schen und struk­tu­rel­len Mus­ter, zu einer Ela­bo­ra­ti­on der Aus­drucks­wei­se und zu einer Anrei­che­rung der Sprach­funk­tio­nen. Die Kreo­li­sie­rung beschreibt die Ent­ste­hung und Ver­fes­ti­gung einer eigen­stän­di­gen Spra­che und ist daher also mit Fos­si­li­sie­rungs­pro­zes­sen vergleichbar.

Basi­lek­ta­le Kreol­va­rie­tä­ten haben in kari­bi­schen Spra­chen stark fos­si­li­siert über vie­le Jahr­hun­der­te bestan­den und müs­sen gene­tisch von meso­lek­ta­len Varie­tä­ten unter­schie­den wer­den. Die meso­lek­ta­len Varie­täten gel­ten als Pro­dukt von krea­ti­ven Adapt­a­tio­nen und Restruk­tu­rie­rungs­pro­zes­sen in einer inten­si­ven Kon­takt­si­tua­ti­on von Sub­strat- und Super­stratspre­chern und ‑spre­che­rin­nen im 17. und 18. Jahr­hun­dert. Es han­delt sich dem­nach weder um Imi­ta­tio­nen von Super­stratdia­lek­ten noch um dekreo­li­sier­te Varie­täten von Basi­lek­ten. In den basi­lek­ta­len Varie­täten fin­den dage­gen kaum Restruk­tu­rie­run­gen der L2 oder des Super­strats statt. Da sich basi­lek­ta­le Varie­täten grund­sätz­lich (gene­tisch) von ande­ren Kreol­spra­chen unter­schei­den, fin­det also kei­ne Restruk­tu­rie­rung zwi­schen den Stu­fen statt. Dem­nach erfolgt auch kein Über­gang von basi­lek­ta­len zu meso­lek­ta­len Varie­täten.

Lite­ra­tur

  • Win­ford, Donald (2000), “Inter­me­dia­te“ creo­les and degrees of chan­ge in creo­le for­ma­ti­on. The case of Bajan. In: Neu­mann-Holz­schuh, Ingrid & Schnei­der, Edgar W. (Hrsg.), Degrees of res­truc­tu­ring in Creo­le lan­guages. Ams­ter­dam & Phil­adel­phia: John Ben­ja­mins, 215–246.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 4 Mehr­spra­chig­keit und Spra­che­n­er­werb der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kreol­spra­che

(Jörg Roche & Sven­ja Uth)

Creo­le

Eine Kreol­spra­che ist eine Spra­che, die als ehe­ma­li­ge Pidg­in­spra­che als voll aus­ge­bau­te und ver­ein­zelt auch stan­dar­di­sier­te Mut­ter­spra­che fun­giert, wobei die funk­tio­nel­len und gram­ma­ti­schen Beschrän­kun­gen, Ver­ein­fa­chun­gen und Reduk­tio­nen des Pidgins besei­tigt sind. Auch eine spon­ta­ne Kreo­li­sie­rung ohne eine Pidginpha­se ist mög­lich. Kreol­spra­chen sind haupt­säch­lich in Gebie­ten ent­stan­den, in denen die ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rung von euro­päi­schen Kolo­nia­li­sa­to­ren ver­sklavt bezie­hungs­wei­se in star­ke Abhän­gig­keit gebracht wur­de. Die Skla­ven kre­ieren eine neue Spra­che durch Ver­bin­dung von Ele­men­ten der Mut­ter­spra­che, ins­be­son­de­re von syn­tak­ti­schen und seman­ti­schen Ele­men­ten, mit Ele­men­ten der sozi­al domi­nan­ten Varie­tät (pri­mär lexi­ka­li­sche Ele­men­te) unter Rück­griff auf gene­rel­le lin­gu­i­sis­ti­sche Stra­te­gien (sie­he auch prag­ma­ti­scher und syn­tak­ti­scher Modus).
Den neu­es­ten Anga­ben im Eth­no­lo­gue nach exis­tie­ren im Moment 93 Kreol­spra­chen und 16 Pidgins­spra­chen, die am wei­tes­ten in der Kari­bik, in West­afri­ka und im Süd­pa­zi­fik ver­brei­tet sind (Simons & Fen­nig 2018).
Fol­gen­de Tabel­le lis­tet eini­ge Pidgin- und Kreol­spra­chen auf:

 

Lite­ra­tur

  • Simons, Gary F. & Fen­nig, Charles D. (Eds.), (2017), Eth­no­lo­gue: Lan­guages of the World (20th edi­ti­on). Dal­las, Texas: SIL Inter­na­tio­nal [Online unter http://www.ethnologue.com, 24. Juli 2018].
  • Win­ford, Donald (2000), “Inter­me­dia­te“ creo­les and degrees of chan­ge in creo­le for­ma­ti­on. The case of Bajan. In: Neu­mann-Holz­schuh, Ingrid & Schnei­der, Edgar W. (Hrsg.), Degrees of res­truc­tu­ring in Creo­le lan­guages. Ams­ter­dam & Phil­adel­phia: John Ben­ja­mins, 215–246.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 7 Kul­tur- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

 

Kri­te­ri­en­ka­ta­log

(Agnes Ein­horn)

Cata­lo­gue of Criteria

Im Bewer­tungs­pro­zess beinhal­ten Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge die wich­tigs­ten Aspek­te, die zur Beur­tei­lung der Ergeb­nis­se ver­wen­det wer­den. Im Fremd­sprach­un­ter­richt sind dies häu­fi­ge Bewer­tungs­aspek­te: der kom­mu­ni­ka­ti­ve Wert, die sprach­li­che Rich­tig­keit, die Brei­te und die Genau­ig­keit des Wort­schat­zes, Rechts­schrei­bung etc. Moti­va­tio­nen und Ein­stel­lun­gen kön­nen aber auch auf­ge­nom­men wer­den. Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge wer­den auch in Sprach­prü­fun­gen ver­wen­det, in die­sem Kon­text wer­den sie oft Bewer­tungs­ska­len genannt.

Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge beinhal­ten kon­kre­te Hin­wei­se zur Bewer­tung des gege­be­nen Pro­dukts (zum Bei­spiel pro­du­zier­te Tex­te), was die Auf­merk­sam­keit der Schü­ler und Schü­le­rin­nen auf stra­te­gi­sche Berei­che lenkt. Sie spie­len also in der for­ma­ti­ven Bewer­tung eine gro­ße Rol­le. Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge zur Selbst- und Paa­r­eva­lua­ti­on kön­nen den eige­nen Lern­fort­schritt für die Schü­ler sehr gut ver­an­schau­li­chen und ihnen auch dabei hel­fen, Maß­nah­men für ihren wei­te­ren Lern­weg effek­tiv zu pla­nen. Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge kön­nen aber auch mit den Ler­nern gemein­sam zusam­men­ge­stellt wer­den. Der Pro­zess selbst, in dem die Lern­zie­le reflek­tiert und wich­ti­ge Aspek­te aus­ge­wählt und ver­sprach­licht wer­den, hat einen för­dern­den Charakter.

Lite­ra­tur

  • Klep­pin, Karin (2008), Selbst­eva­lua­ti­on. In: Tesch, Bernd; Leu­pold, Eynar & Köl­ler, Olaf (Hrsg.), Bil­dungs­stan­dards Fran­zö­sisch: kon­kret. Sekun­dar­stu­fe I. Ber­lin, 205–215.
  • Klep­pin, Karin (2010), Feh­ler, Feh­ler­kor­rek­tur, Feh­ler­be­wer­tung. In: Hal­let, Wolf­gang & Königs, Frank G. (Hrsg.), Hand­buch Fremd­spra­chen­di­dak­tik. Seel­ze-Vel­ber: Kall­mey­er in Ver­bin­dung mit Klett, 224–228.

 (Mehr zu die­sem The­ma in den Modu­len 5 Spra­chen­ler­nen und 6 Unter­richts­ma­nage­ment der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kul­tur­schock­hy­po­the­se

(Manue­la Sato-Prinz)

Cul­tu­re Shock Hypothesis

Die Kul­tur­schock­hy­po­the­se geht zurück auf Oberg (1960). Sie beschreibt ver­schie­de­ne Sta­di­en, die eine Per­son durch­lebt, wenn sie sich in einem für sie frem­den Umfeld befin­det. Der Ver­lauf die­ser Sta­di­en gestal­tet sich para­bel­för­mig. Er beginnt mit einer honey­moon-Pha­se, in der die frem­de Kul­tur als neu und inter­es­sant wahr­ge­nom­men wird. Auf die­se posi­ti­ve Ein­gangs­pha­se folgt eine Pha­se der Kri­se, des eigent­li­chen Kul­tur­schocks. Das frem­de Umfeld wird abge­lehnt und das Indi­vi­du­um ist frus­triert. Die­se Pha­se kann mit psy­cho­so­ma­ti­schen Sym­pto­men ein­her­ge­hen. Es folgt eine Pha­se der Erho­lung sowie letzt­lich eine Pha­se der Anpas­sung und Integration.

Literatur

  • Oberg, Kaler­vo (1960), Cul­tu­ral Shock: Adjus­t­ment to New Cul­tu­ral Envi­ron­ments. Prac­ti­cal Anthro­po­lo­gy: For the Chris­ti­an Stu­dent of Anthro­po­lo­gy 7, 177–182.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 7 Kul­tur- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ten der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)

Kul­tur­stu­di­en

(Jörg Roche)

Cul­tu­ral Studies

Die Kul­tur­stu­di­en mit Bezug zur Aus­lands­ger­ma­nis­tik und dem Fach Deutsch als Fremd­spra­che umfas­sen (Cul­tu­ral Stu­dies, Ger­man Stu­dies, Euro­pean Stu­dies. Im Gegen­satz zur tra­di­tio­nel­len Lan­des­kun­de geht es dabei um mehr Wis­sen­schaft­lich­keit und ande­re The­men­be­rei­che, wie die Ver­mitt­lung von gesell­schaft­li­chen, his­to­ri­schen, wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen The­men des Ziel­lan­des aus der (ver­meint­li­chen) Per­spek­ti­ve des Aus­gangs­lan­des der Lerner.

Die Ger­man Stu­dies oder auch die Euro­pean Stu­dies rücken wie die meis­ten Kul­tur­stu­di­en die zeit­ge­nös­si­schen kul­tu­rel­len, sozia­len, wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Aspek­te der (deutsch­spra­chi­gen oder euro­päi­schen) Län­der in ihrem geschicht­li­chen und inter­na­tio­na­len Kon­text in den Mit­tel­punkt ihrer Betrach­tun­gen. Als die drei wich­tigs­ten Merk­ma­le der Kul­tur­stu­di­en gelten

  • Mul­ti­dis­zi­pli­na­ri­tät und Wissenschaftlichkeit
  • Aus­rich­tung auf die Ver­hält­nis­se der Zielkultur
  • Aktua­li­täts­be­zug.

Lite­ra­tur

  • Web­ber, Mark J. (1990): Inter­cul­tu­ral Ste­reo­ty­pes and the Tea­ching of Ger­man. Die Unterrichtspraxis/Teaching Ger­man 23: 2, 132–141.

(Mehr zu die­sem The­ma im Modul 5 Spra­chen­leh­ren der Mul­ti­l­in­gua Aka­de­mie)