(Nicole Marx & Patricia Boos)
Deductivism / Inductivism
Der Deduktivismus ist eine wissenschaftstheoretische Haltung, die davon ausgeht, dass neue Erkenntnis durch logische Deduktion gewonnen wird. Es wird überprüft, ob eine bereits aufgestellte Gesetzmäßigkeit (eine generierte Hypothese, oder eine allgemein akzeptierte Erkenntnis) in der geäußerten Form auf alle Einzelfälle zutrifft und somit als „Fakt“ gelten kann (Man geht vom Allgemeinen zum Besonderen). Der Induktivismus ist hingegen eine Wissenschaftstheorie, der zufolge Wissen durch Induktion generiert wird. Bei der Beobachtung von Einzelfällen werden Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge entdeckt und diese als Basis für (zu überprüfendes) Wissen verwendet (Man geht vom Einzelnen zum Allgemeinen).
Folgendes Beispiel illustriert die deduktive (auch: deduktiv‑nomologisch genannte) Vorgehensweise:
- Eigennamen schreibt man im Deutschen mit einer Majuskel.
- Hans Müller ist ein Eigenname.
Logische Ableitung aus 1) und 2): Hans Müller schreibt man mit Majuskel. Das funktioniert natürlich nur, wenn man davon ausgeht, dass die ersten beiden Aussagen korrekt sind – auch wenn sie es nicht sind. Genauso funktioniert: (1) Eigennamen schreibt man klein. (2) Anna Fischer ist ein Eigenname. (3) anna fischer schreibt man klein.
Die Gesetzmäßigkeit (die Antwort) liegt bereits vor (Eigennamen schreibt man groß). Sie wurde rationalistisch durch einen logischen Schluss aus Prämissen abgeleitet (ebenfalls deduktiv). Davon ausgehend kann man kategorisieren und überprüfen (zum Beispiel durch das Sammeln und quantitative Auswerten von Datenmaterial), ob dieses Gesetz immer stimmt, oder ob es auch Ausnahmen gibt (zum Beispiel Anna von Mustermann).
Deduktion (hypothesentestend) und Induktion (hypothesengenerierend) fungieren jedoch nicht in Abwesenheit voneinander, sondern sind vielmehr komplementär im Sinne von sich gegenseitig unterstützend. Durch die empirische Beobachtung von Einzelfällen können Zusammenhänge entdeckt und induktiv Hypothesen aufgestellt werden, die dann durch eine deduktive Herangehensweise getestet und gerechtfertigt werden. Dies führt wiederum zu weiteren Vorhersagen und weiteren Auswirkungen auf die von Forschern und Forscherinnen entwickelten Antworten auf die Forschungsfragen.
Sucht man eine Antwort auf eine Forschungsfrage, die bisher nicht behandelt wurde, muss man zunächst induktiv vorgehen, um Hypothesen zu erhalten.
In der Sprachlehr- und –lernforschung ist dies seltener der Fall. Meist wird eine deduktive Herangehensweise verfolgt, bei der Annahmen, die in bereits bestehende Hypothesen oder Theorien eingebettet sind, bestätigt oder verworfen werden sollen. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass auf Grund von spezifischen Ausrichtungen des Forschungsdesigns oder der Ergebnisinterpretation die bereits aufgestellten Hypothesen des Forschers oder der Forscherin kaum abgelehnt werden. Dies kann besonders dann passieren, wenn innerhalb einer spezifischen Theorie oder eines spezifischen (Lern-)Modells gearbeitet wird, da ein gesteigertes Interesse daran besteht, die bevorzugten Theorien zu verifizieren.
Der Deduktivismus wird oft (allerdings nicht immer berechtigt) mit quantitativer Forschung gleichgesetzt, der Induktivismus analog häufig mit qualitativer Forschung.
Literatur
- Engfer, Hans Jürgen (1996), Empirismus versus Rationalismus? Kritik eines philosophiegeschichtlichen Schemas. Paderborn: Schöningh.
- Popper, Karl (1963/1994), Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis. Tübingen: Mohr Siebeck.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)