(Jörg Roche)
Berufssprache bezeichnet eine Teilmenge des Systems der Fach- und Bildungssprachen und ist in allen Kontexten, von der Forschung bis zum Lehrplan und den Studiengängen, als Sammelbegriff für variantenreiche beruflich orientierte Kommunikationsformen zu verstehen. Sie bezeichnet damit nicht nur unterschiedliche horizontale und vertikale Schichtungen eines wichtigen Bereichs der Fachsprachen, sondern vor allem funktionale, pragmatische. Berufssprache umfasst alle funktionalen und pragmatischen Schichtungen der Fachsprache, die für den Erwerb und die Ausführung berufsbezogener Aufgaben relevant sind. Gelegentlich wird diese Schnittmenge jedoch als Ersatzbezeichnung für Fachsprachen, im Sinne einer Benennung eines spezifischen (einzelnen) Registers, missverstanden. Der Begriff Berufssprache ersetzt aber nicht die Fachsprache. Auch Fachsprache bezeichnet schließlich kein monolithisches Konzept eines fixierten Schubladensystems von vertikalen und horizontalen Schichten. Vielmehr sind Fachsprachen vor allem durch ihre pragmatischen Funktionen definiert. Das Fachsprachen-Model von Göpferich (Göpferich 1995, S. 124) bildet dieses Konzept und seine Vielfalt bisher am deutlichsten ab.
Berufssprache ist also ein generischer Sammelbegriff für alle möglichen Stratifizierungen in Bezug auf Sprecher – Hörer – Gegenstandskonstellationen und die entsprechenden sprachlichen Mittel und sprachaffinen Medien. Damit sind auch alle Kompetenz- und Fertigkeitsbereiche umfasst. Anders als „Bildungssprache“ ist „Berufssprache“ ein wesentlich weniger aufgeheizter politischer Begriff. Bildungssprache kann analog zum Begriff der Berufssprache gefasst werden: Bildungssprache umfasst alle funktionalen und pragmatischen Schichtungen der Fachsprache, die für den Erwerb und die Ausführung bildungsbezogener Aufgaben relevant sind. Die aus dem Kanadischen übertragenen bildungspolitischen Begriffe CALP und BICS (cognitive academic language proficiency und basic interpersonal communication skills vgl. Cummins 1980) werden diesem linguistischen Konzept von Bildungssprache nicht gerecht, weil sie einem lange überholten Konzept von fixierten sprachlichen Registern verhaftet sind (vgl. Roche 2018).
Literatur
- Cummins, James (1980), The construct of language proficiency in bilingual education. In: Alatis, James E. (Ed.), Current Issues in Bilingual Education. Washington: Georgetown University Press, 81–103.
- Göpferich, S. (1995), Textsorten in Naturwissenschaften und Technik. Pragmatische Typologie – Kontrastierung – Translation. Tübingen: Narr.
- Roche, Jörg (2018), Faktoren der Mehrsprachigkeit. In: Roche, Jörg & Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hrsg.), Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb. Tübingen: Narr [Kompendium DaF/DaZ; 4], 67–78.