(Gesine Lenore Schiewer)
Ein wichtiger Aspekt interkulturellen Lernens besteht im Erwerb kommunikativer Aushandlungskompetenz. Kulturübergreifende Verständigung bedeutet in Prozessen der Verständigungssicherung, mit Sprache als grundsätzlich konventionell verankertem Kommunikationsmittel, kulturelle Unterschiede und semantische Besonderheiten in der aktuellen Interaktion herauszuarbeiten und greifbar zu machen. Im Hinblick auf die Instrumente der Aushandlung sind verschiedene Prinzipien der Verständigungssicherung zu nennen. Dazu gehören: Nach- und Rückfragen sowie alle Formen interaktiver Vergewisserung unter Verwendung von Wiederholungen, Paraphrasen, der Herausstellung des inhaltlich Wichtigsten, zum Beispiel bei Wegauskünften, veranschaulichenden Metaphern, kommunikativen Reparaturen wie Selbstkorrekturen, Signalisierung von Zweifel und Nichtverstehen oder sogar markierten Formen des Schweigens. Das semantische Spektrum jeweils möglicher Bedeutungen auf Wort‑, Satz- und transphrastischer Ebene wird somit interaktiv im Austausch der Dialogpartner und ‑partnerinnen herausgearbeitet. Übergreifend können diese Prinzipien in der Terminologie der bis heute anregenden Prager Schule mit dem Begriff der Entautomatisierung veranschaulicht werden: Es geht darum, das Bedeutungsspektrum möglichst deutlich ins Bewusstsein zu rücken. Solche Formen der Entautomatisierung sind für die fremdsprachliche Kommunikation typisch, weil hier die Sprachbeherrschung nur teilweise automatisiert und insofern nicht selbstverständlich ist.
Literatur
- Schiewer, Gesine Lenore (2015), Die Nomadisierung der Moderne (Ilja Trojanow) als sprachpoetisches Programm. Interkulturelle Literaturwissenschaft und Fremdsprachenunterricht am Beispiel von ‚Chamisso-Literatur’. In: IDT 2013, Bd. 1, Hauptvorträge, hg. von Hans Drumbl und Antonie Hornung. Bozen: bu,press, 149–171.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Es ist ein sehr schöner Artikel. Dank dem habe endlich das verstanden, was “Entautomatisierung bedeutet. Nämlich beim Erwerb von Fremdsprachen. Dieser Prozess soll (mir gerade) hilfsreich beim Lernen von Fremdsprachen helfen bzw. bereichern. Dennoch stelle ich mich die Frage zu wissen, in wie fern das gelingen könnte. Wie kann man zum Beispiel bei einem Gespräch mit einem Deutschen die unbewusst in unserem Gehirn festgestellte Wörter dann im Bewusstsein rücken?