(Gesine Lenore Schiewer)
Intercultural Dialogue
In einem interkulturellen Dialog (Dialog der Kulturen) werden nicht reine Informationen „verschoben“; auch wenn geläufige Kommunikationsmodelle dieser Auffassung Vorschub leisten, bei denen in technizistischem Duktus von Sendern und Empfänger, Kanälen und Störquellen etc. gesprochen wird. Auch Ansätze der rationalen Diskursethik gehen von verkürzenden Modellen aus, wenn sie das „bessere Argument“ und die Bereitwilligkeit, ihm zu folgen, akzentuieren (vgl. z.B. Annan 2001). Vielmehr handelt es sich um Bemühungen darum, sich verständlich zu machen, zu angemessenen Deutungen zu gelangen, sich durch Rückfragen zu vergewissern, mittels Paraphrasen das bereits Gesagte in anderer Formulierung des gemeinten beziehungsweise aufgefassten Inhalts erneut begreiflich zu machen und dergleichen mehr.
Die Art, wie Menschen ihre objektiven Lebensgegebenheiten mittels Sprache gestalten – die denotative Bedeutung – wird ebenso berücksichtigt wie der subjektiv gemeinte Sinn mit seinen kulturellen Dimensionen. Rechnung getragen wird also sowohl den Freiheiten der Sprachverwendung – das heißt der individuellen oder kreativen Sinngebung – als auch der verständigungssichernden Norm- und Regelorientierung des Sprachgebrauchs. Akzentuiert wird die von allen beteiligten Partnern geleistete kognitive, emotionale und vor allem sprachlich-semantische Arbeit. Im Zentrum steht die interaktive Abklärung des jeweils Gemeinten durch die Kommunikationspartner im Verlauf eines Gesprächs oder der Produktion und Rezeption eines Textes. Es geht mit anderen Worten um den emergenten Prozess der sozialen Aushandlung von Bedeutungen.
Literatur
- Annan, Kofi (2001), Brücken in die Zukunft. Ein Manifest für den Dialog der Kulturen, mit einem Geleitwort von Joschka Fischer, Frankfurt am Main: Fischer.
- Schiewer, Gesine Lenore (2009), Der „Dialog der Kulturen“ als Problem einer interkulturellen Kommunikationskultur. Anmerkungen zur Initiative der Vereinten Nationen. In: Kommunikation und Konflikt: Kulturkonzepte der interkulturellen Germanistik, hg. von Ernest W.B. Hess-Lüttich gemeinsam m. Ulrich Müller, Siegrid Schmidt und Klaus Zelewitz [VI. Intern. Kongreß der GiG Wien 2006] (= Cross Cultural Communication 16 = Publikationen der GiG 11), Frankfurt/Main: Peter Lang, 19–48, (Nachdruck von 2006).